Klein, aber oho!

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Graciosa ist die zweitkleinste Insel des Archipels und liegt im Norden der Zentralgruppe. Und ich war auf den ersten Blick verliebt. So ein hübscher Name – so eine schöne Insel! Bis auf weiteres erklärte ich Graciosa bereits am ersten Tag zu meiner neuen Lieblingsinsel der Azoren.

Endgültig geschehen war es um mich, als wir in Sichtweite unseres Quartiers waren. Die „Moinho de Pedra“ ist eine liebevoll restaurierte Windmühle direkt am Meer. Windmühlen gibt es auf Graciosa übrigens reichlich. „Unsere“ war die mit Abstand schönste der drei Mühlen. Die Inneneinrichtung war genauso hübsch wie die Mühle von außen.

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Unser Vermieter war bereits vor Ort, um uns die Schlüssel zu übergeben. Und als Begrüßung gab es eine Flasche Wein von Graciosa und eine Packung der legendären „Queijadas da Graciosa“ – kleine Küchlein, die so köstlich wie zuckrig waren. Dagegen stanken die Queijadas de Vila Franca do Campo auf São Miguel geradezu schmachvoll ab.

Um nicht wertvolle Zeit zu verschenken, machten wir uns auf die Suche nach einem Minimercado, was sich als nicht einfach gestaltete. In Carapacho wurden wir endlich fündig. Das Abendessen war gesichert.

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Für den Rest des Tages war dann noch eine Küstenwanderung (!) zum Furna do Enxofre geplant. Dabei handelt es sich um einen noch aktiven Vulkankrater, in den man mittels einer 183 Stufen langen Wendeltreppe hinabsteigen kann. Aber dazu später.

Der Weg führte uns erst durch allerlei liebliche Landschaftseindrücke auf Graciosa. Meist hatte man das Meer im Blick. Kühe, Weideland, Äcker zwischen Basaltmäuerchen – hach!

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Bevor man auf diesem Weg zum Furna do Enxofre gelangt, kommt man an einer Höhle namens Furna da Maria Encantada vorbei, die ebenfalls vulkanischen Ursprungs ist. Von dort aus hat man einen herrlichen Blick auf den Krater.

Der Weg zum Furna do Enxofre führt durch einen Tunnel, der auch mit dem Auto befahrbar ist. Haben wir natürlich nicht getan. Das brachte dann allerdings die Kuh, die vor uns gemächlich durch den Tunnel latschte, in arge Bedrängnis, als sich von der anderen Seite ein Auto näherte.

Man merkte ihr regelrecht an, wie es in ihr arbeitete: hinten Menschen, vorne Auto… Verdammt!!!

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Der Furna do Enxofre ist wohl bisweilen wegen zu hoher CO2-Werte gesperrt. Wie gesagt handelt es sich ja um einen noch aktiven Vulkan. Wir hatten Glück und durften rein.

Die 183 Stufen sind nur die der Wendeltreppe. Insgesamt sind es ein paar mehr. Die Wendeltreppe im Schacht existiert seit 1939. Fertiggestellt wurden die begehbaren Teile 1953. Sehr dankbar sind die Azoraner – eine Gedenktafel! – übrigens offensichtlich immer noch dem „Principe Albert I. de Monaco“, der 1879 den Furna de Enxofre anlässlich eines Besuchs als „a unique miracle of nature“ bezeichnete.

Man beachte übrigens die Jahreszahlen. Ende des 19. Jahrhunderts beschäftigten sich die Monarchen aus begüterten Zwergstaaten offensichtlich noch mit naturwissenschaftlichen Forschungen statt mit Bobfahren und Scheinehen. Aber gut. Lassen wir das!

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Im Vulkan selbst ist es immer noch ziemlich blubberig und schwefelig. Und irgendwie empfindet man schon ein wenig Ehrfurcht beim Anblick dessen, was hier Naturgewalten hinterlassen haben – und jederzeit wieder hinterlassen könnten, wenn sie denn gerade in der Stimmung sein sollten.

Anschließend war dann auch schon Abendessenszeit. Ich köchelte auf dem mühleneigenen Gasherd eine Tomatensoße mit Thunfisch ein, die gar nicht mal so übel war. Dazu gab es den Graciosa-Wein und zum Dessert Queijadas.

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Der zweite Graciosa-Tag begann mit einer Inselrundfahrt in unserem netten, kleinen Toyota Yaris. Mit Schaltgetriebe übrigens! Wir schauten uns zuerst bei noch etwas bescheidenen Wetterverhältnissen den „Clube Naval da Ilha Graciosa“ an, der uns allerdings jetzt nicht so wahnsinnig beeindruckte. Das einzige Boot weit und breit war ein winziges Ruderdings, das offensichtlich einsam und verlassen seit Jahren in der Gegend herum lag.

Von dort aus ging es zum Farol da Ponta da Barca, einem Leuchtturm, neben dem der Ilhéu da Baleia, der „Walfelsen“ liegt. Warum er so heißt, ist klar. So sieht er aus:

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An dieser Stelle wäre vielleicht ein kleiner Exkurs zum Thema „Namensgebung auf den Azoren“ fällig. Bevor sich also im weiteren Verlauf der Reise jemand darüber wundern sollte, dass wir schon wieder in São Mateus landen oder zum wiederholten mal in Ribeira baden, möchte ich dazu kurz folgendes anmerken:

Der Azoraner an sich ist eher pragmatisch und benennt Ortschaften beispielsweise immer entweder nach einer geografischen Gegebenheit oder nach einem Heiligen. Da die Anzahl der Heiligen begrenzt ist, wiederholen sich Ortschaften wie São Mateus, São Sebastião oder auch São Roque immer wieder auf den verschiedenen Inseln.

Hinzu kommen Orte, die Ribeira Grande (großer Fluss), Ribeira Seca (trockener Fluss), oder Ribeirinha (kleiner Fluss) heißen. Berge werden ebenfalls so benannt, wie sie aussehen: Pico Verde (grüner Berg), Pico Alto (hoher Berg) usw. Das gleiche gilt für Seen: Lagoa Verde (grüner See), Lagoa Azul (blauer See), Lagoa Branca (weißer See), Lagoa Seca (trockener See). Ist ja eigentlich ganz praktisch, aber wenn man ab und an die Insel wechselt, wird es etwas verwirrend.

Aber das nur mal so am Rande.

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Da wir uns am Abend eigentlich aushäusig zu verköstigen gedachten, und auf der kleinen Insel nur wenige Orte dafür in Frage kamen, schauten wir zwischendurch bei der „Quinta das Grotas“ vorbei, wo man uns allerdings mit einem Hinweis auf eine geschlossene Gesellschaft am Abend wieder hinauskomplimentierte. Mist.

Wir schauten uns Porto Afonso an, einen lustigen kleinen Hafen, in dessen Steilhänge man Garagen für die Boote gekratzt hatte, und beobachteten ein paar Seetangfischer bei der Arbeit.

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Für den Nachmittag stand aufgrund des Verpflegungsengpasses ein erneuter Einkauf an. Wir stellten den Wagen in Luz (ziemlich heller Ort) ab und wanderten zur Baia da Folga. Im „Restaurante do Mar“ waren wir schon gespannt auf die im Reiseführer beschriebenen ‚lederhäutigen alten Männer beim Kartenspielen‘, aber entweder hatten sie sich versteckt oder spielten gerade wieder Piratenspiele oder Stierkampf.

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Wir wanderten zurück nach Luz, kauften im „Supermercado Melo“ das Nötigste ein und machten uns schließlich auf den Heimweg. Morgens ging es dann bereits weiter nach Pico.

Vorher schauten wir uns noch die Badestelle in Barro Vermelho an. Das Schild könnte ich mir sehr gut an unserer Badezimmertür vorstellen: „Zona de Lazer e Balnear“. Einfach toll!

Da man nicht direkt von Graciosa nach Pico kommt, muss man Zwischenstation auf Terceira machen. Dort ging es dann von einer Propellermaschine in die andere. Und ab in die Luft. Até logo, Graciosa!

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