Schluss mit dem Vorgeplänkel! Und ab aufs Boot! Alle kleinlichen Bedenken und verzweifelte Gegenwehr meinerseits stießen auf taube Ohren. Während ich unsere nautische Ahnungslosigkeit als Top-Argument anführte, verstand der Gatte nur „Mimimimiiii…“ und ignorierte meine Ängstlichkeit. Natürlich konnte ich ihn nicht ganz allein seinem Schicksal überlassen. Irgendwer musste ja einen kühlen Kopf behalten. Und außerdem gab’s ja vielleicht Fotomotive da draußen. Ich folgte todesmutig dem Kapitän aufs Boot.
Die Ausfahrt aus der Xlendi Bay lief noch nicht ganz so routiniert. Aber dann hatte der Chef den Dreh raus. Eigentlich hatten wir geplant, uns die „schöne Stelle“ vom Wasser aus anzusehen. Der Mensch im Bootsverleih riet uns allerdings zu Dwejra. Am Ende schafften wir in vier Stunden eine komplette Runde um die Insel. Nehmt das, ihr Landratten!
Der Kapitänsgatte steuerte uns aus der Xlendi Bay steuerbords hinaus. Wir umkreisten den Fungus Rock, schauten uns den Crocodile Rock aus der Nähe an und fuhren am Blue Hole und am Ex-Azure Window vorbei Richtung Norden.
Vorbei am Gordan Lighthouse – Żebbuġ am Horizont, das Mielaħ Window (Tieqa tal-Wied il-Mielaħ) direkt vor uns – und vorbei an der Stelle, an der ich drei Tage zuvor geschwächt am Straßenrand gelegen hatte.
Das Meer war absolut ruhig. Wir hatten perfektes Wetter, wenn wir denn nun schon einmal eine Bootstour machen mussten. Am Fungus Rock hatte ich mich bereits etwas entspannt. Kurz darauf turnte ich bereits mit der Kamera übers Boot. Das Vertrauen in den Kapitän hatte deutlich zugenommen.
Weiter ging’s zur Xwejni Bay. Und dann an Marsalforn vorbei über San Blas nach Daħlet Qorrot. Ich hatte vergessen, wieso ich fand, dass diese Tour eine doofe Idee war.
Es folgte nun der Küstenabschnitt am Steinbruch vorbei bis zur „schönen Stelle“ bei Il-Ġebla tal-Ħalfa. Man konnte praktisch jeden Abschnitt der Nahtodeswanderung um die Ostspitze der Insel herum vom Wasser aus nachverfolgen.
Und kurz hinter der St. Anthony’s Battery kam Comino in Sicht. Und Malta. Und vor allem der wunderbare Strandabschnitt mit den Salzpfannen, zu dem wir sonst auf dem Hosenboden den Berg herunter rutschen müssen. Man konnte alles vom Boot aus sehen. Und das ohne Staub zu schlucken. Ein Perspektivwechsel ist manchmal gar nicht so schlecht.
Weiter ging es am Hafen von Mġarr vorbei. Wir ließen die Fähre passieren. Erschien uns sicherer. Etwa auf Höhe des Fort Chambray dann waren meine Kameraakkus leer. Verdammt! Ich bin ja nach wie vor mit der Ersatzkamera unterwegs (die R6 ist noch in Reparatur und es gab natürlich von Seiten Canons wieder einmal Rumgenerve…) und hatte nicht bedacht, dass ohne Batteriegriff ein häufigeres Aufladen erforderlich gewesen wäre.
Mir blieb also für den Rest der Bootstour nur das Handy. So sehen die folgenden Fotos dann leider auch aus. Immerhin waren wir bereits kurz vor Mġarr ix-Xini. Dreiviertel des Wegs lagen bereits hinter uns.
Im Bild auch die Boje der vor Xatt l-Aħmar frisch versenkten Hephaistos, die der Gatte sich bereits unter Wasser angeschaut hatte.
Das letzte Stück Küste bis zur Xlendi Bay ging es immer unterhalb der Sanap Cliffs entlang. Wer weiß, wie lange die Oberkante der Klippen noch so herrlich unbebaut in den blauen Himmel ragt. Joseph Portelli hat auch hier schon seine Baupläne für zwei Ferienanlagen auf den Tisch gelegt – und natürlich genehmigt bekommen. Am besten bastelt er noch ein neues Xlendi drauf. Wir waren entsetzt über den Anblick des neuesten Hochhauses direkt an der Sea Front. Und damit ist nicht der Xlendi Watchtower gemeint.
Der Kapitänsgatte steuerte uns sicher und routiniert an den Anleger. Und ich musste schließlich zugeben, dass die Bootstour eine ganz hervorragende Idee gewesen war. Und dass ein Boot zu steuern keine Raketenwissenschaft ist. Ich bin ja ansonsten wahnsinnig gern auf dem Wasser. Angst hatte mir lediglich gemacht, dass wir allein unterwegs sein würden. Allein und ohne Ahnung, wie man ein Boot steuert. Kleinliche Bedenken. Wirklich. Dumm von mir.
Wir blieben zum Abendessen in Xlendi im Il-Kċina Għawdxija und saßen bei Sonnenuntergang noch in der Bucht. Es gab Lampuki, baby! Und das Brot war wieder der Kracher. Der Gatte war mit seinem – nicht abgebildeten – Teller nicht wirklich glücklich. Da er auch lieblos aussah, habe ich ihn weggelassen.
Beim nächsten Besuch in Xlendi testen wir mal ein anderes Restaurant. Ist ja nicht so, dass es in Xlendi nicht genug Restaurants gäbe.
Und der nächste Tag war dann auch schon der letzte komplette Urlaubstag. Wir beschlossen, nach des Gatten Tauchgang nochmal in die San Blas Bay zu laufen. So als Abschluss würde sich das bestimmt auch ganz gut machen. Und laufen konnte ich inzwischen ja auch wieder. Meine Stiche hatten sich so weit beruhigt, dass der Gatte nicht mehr im Stundentakt, sondern nur noch einmal täglich vorschlug, ins Krankenhaus zu fahren.
Wir machten vorher noch einen Zwischenstopp bei Ta’Mena und nahmen allerlei gute Dinge mit. Es würde ja reichlich Platz in den Koffern sein. The sky is the limit – wenn man Business Class fliegt. Die liebe Maria Spiteri war da und schenkte mir zum Abschied noch ein Kochbuch. Ich freute mich sehr. Blöderweise hatte ich mir genau dieses Kochbuch ein paar Tage vorher im Bookworm selbst gekauft. Es ist in englischer Sprache, beschäftigt sich mit gozitanischer Hausmannskost und wiegt nicht übermäßig viel, sodass man es prima verschicken könnte. Vielleicht koche ich etwas daraus und verlose dann ein Exemplar über Instagram. Oder ich verschenke es einfach, falls sich jemand melden sollte, der es gerne hätte.
Zur San Blas Bay nahmen wir wieder den Alternativabstieg und trafen unten gerade noch so auf Steve, den Kioskinhaber. Er würde früher schließen, da er zu einer Beerdigung müsse. Da hatten wir gerade nochmal Glück gehabt. Bevor er ging, brachte er noch eine zweite Runde Getränke und meinte, wir sollten die Gläser anschließend einfach auf der Theke hinter dem Vorhang abstellen. Wir saßen noch eine ganze Weile in der Bucht und schauten aufs Meer.
Zum Abendessen marschierten wir dann ein letztes Mal ins Brookies. Es war wieder total leer. Die Saison scheint wirklich vorbei zu sein. In der Tauchbasis war auch nicht wirklich der Teufel los. Mieses Handyfoto vom Weg. Sorry. Aber das sah so nett aus, wie wir da immer auf die beleuchtete Ċittadella zu liefen.
Es gab einen Bohnen-Blauschimmel-Dip vorneweg. Gefolgt von zwei Vorspeisen, die wir jeweils teilten: Treacle Salmon (Treacle cured salmon accompanied by a refreshing cucumber relish, mustard cream and toasted crostini, complemented with preserved lemons) und Deconstructed Lamb Kofta (Succulent lamb enhanced with Middle Eastern spices, garlic, lemon zest, mint and a touch of chilli, set on an infused Greek yogurt, salad leaves and served with Pita bread). Beides absolut empfehlenswert!
Es folgte ein Oktopus für den Gatten (Mediterranean octopus, pan seared in ginger-miso compound butter and set on a delicate lemon grass sauce) und Wild Mushroom Ravioli für mich (Mushroom stuffed pillow shaped pasta enriched with truffle paste, fresh herbs, butter, parmesan and cream, garnished with parmesan shavings). Auch beides ausgezeichnet. Wir tranken einen letzten Limuncell aufs Haus und begaben uns auf den letzten, dunklen Heimweg. Diesmal die beleuchtete Ċittadella im Rücken.
Und damit war am nächsten Morgen auch bereits der Abreisetag angebrochen. Wir packten unsere Flaschen (Wein, Olivenöl, Kaktusfeigenessig) und unsere Gläser (Kunserva, Oliven, Kapern, Ġbejniet, Honig vom Nachbarn) sorgfältig ins Einhorn, nachdem wir die Luft abgelassen hatten, verstauten die Salz- und Buchkäufe im Koffer, machten uns abreisefertig und übergaben um zehn Uhr unseren Hausschlüssel.
Bevor es zur Fähre gehen würde – unser Flug startete erst am Abend – fuhren wir nochmal an die Nordküste und liefen von der Xwejni Bay bis zum Għasri Point an den Salzpfannen entlang. Und da waren sie: Wolken! Es gab sie noch!
Diese Landschaft ist einfach herrlich. Man muss Gozo lieben – auch wenn es eine Reihe von Gründen gibt, es nicht zu tun. Aber das sind meist gesamtmaltesische Gründe. Auch wenn das zugegebenermaßen keine gute Ausrede ist.
Zuletzt setzten wir uns noch in den Saltside-Kiosk in der Xwejni Bay und teilten uns eine Pizza. Mit Sardellen. Und weil der Gatte Sardellen nicht mag, schieben wir sie immer von seiner auf meine Seite. Sardellen-Pizza teile ich mir mit ihm am liebsten. Ein so gutes Sardellen-Verhältnis auf einer Pizza hat man sonst nie.
Ich trank noch einen Wein (Flugangstprophylaxe, Teil 1). Der Gatte musste noch fahren. Und zwar ab dem Fähranleger im maltesischen Horror-Verkehr.
Und dann kam nur noch, was immer kommt: Fahrt zur Fähre, Überfahrt an Comino vorbei, mehrere Beinahe-Crashs wegen komplett schwachsinniger Malteser, Abgabe des Leihwagens, Aufgabe des Gepäcks, Sicherheitskontrolle.
Und da alles recht rund gelaufen war, konnten wir unsere Anreisezeit-Sicherheitsreserve im wunderschönen Außenbereich der LaValette-Lounge des Flughafens verbringen. Mir wurde Gin Tonic eingeflößt. Ein paar Pastizzi gingen auch noch. Wir hofften zu diesem Zeitpunkt, dass die nette Dame beim Einchecken das Unmögliche möglich machen und uns zwei Plätze in einer Reihe organisieren würde. Wir waren beim Online-CheckIn nämlich getrennt worden. Unerhört sowas! Am Ende würde ich beim Start meine feuchte Hand in die eines Fremden legen müssen!
Das Glück war mit uns. Beim Boarding wurde uns mitgeteilt, dass unsere Plätze getauscht worden seien. Wir säßen jetzt beide in Reihe eins. Wie gut!
Wir flogen in den Sonnenuntergang hinein und vertrauten uns nach der Landung in Frankfurt und einer ziemlich verzögerten Gepäckabfertigung dem hessischen ÖPNV an. Und für das letzte Stück nahmen wir das Auto. Punkt Mitternacht waren wir zu Hause. „Sas-sena d-dieħla“ – bis nächstes Jahr!