Nach der anstrengenden gestrigen Erfahrung beschlossen der Bauherr und ich heute morgen, dem Wiesbadener „Sternschnuppenmarkt“ einen Besuch abzustatten. Und was braucht man da, wenn man einen Glühwein trinken möchte? Richtig! Einen Rufbus des RTV. Gut. Nachdem der Bauherr sich beschwerdemäßig ja nach dem letzten Rufbus-GAU ordentlich Luft gemacht hatte, war es wohl an der Zeit, eine Testfahrt zu unternehmen. Der Bus wurde für 16:13 Uhr bestellt. Wegen der völlig verschneiten und nicht geräumten Fußwege zur Haltestelle trafen wir erst um 16:14 Uhr auf Bus und Fahrer.
Es folgte die Begrüßung durch den Fahrer: „Aaaah! Guten Abend, Herr Flax! Bißchen spät dran, was? Ist mir auch schon passiert…“ Er feixte. Offenbar handelte es sich exakt um den Fahrer, der uns beim letzten Mal hatte sitzen lassen. Der Stachel der Beschwerde saß offenbar tief. Er hatte den Kleinbus mit der Einstiegstür exakt vor einem Schneehaufen geparkt, den wir erst überklettern mussten, um in den Bus zu gelangen. Wir gönnten ihm seinen vermeintlichen Triumph und fühlten uns schon wieder wie in Schulzeiten, als uns stets schlechtgelaunte und teilweise sadistische Schulbusfahrer täglich terrorisiert hatten. Ich musste während des ganzen Wegs zum Anschlussbus grinsen. Aber schön zu wissen, dass man unseren Namen jetzt offenbar auf den Listen der Fahrer rot markierte. Wahrscheinlich stand in Klammern „Querulanten – beschweren sich schon wegen läppischer 40 Minuten Verspätung“ dahinter.
Das verdarb uns jedenfalls nicht die gute Stimmung. Der „Sternschnuppenmarkt“ erwartete uns UND die Rufbusfahrt hatte funktioniert! Ein großartiger Abend! An dieser Stelle sei erwähnt, dass der Wiesbadener Weihnachtsmarkt wirklich empfehlenswert ist. Es tut mir unendlich weh, es zuzugeben, aber in den letzten beiden Jahren hat er sich so dermaßen genial entwickelt, dass man den Mainzer getrost ignorieren kann. Und wenn ausgerechnet ich das sage, muss es stimmen. Wir waren echt begeistert. Hier ein paar Fotos:
Als es Zeit wurde, den Bus für die Rückfahrt zu erwischen, machten wir uns auf den Weg zur Haltestelle. Dachten wir jedenfalls. Blöderweise liefen wir aber komplett in die falsche Richtung. Nachdem wir zwei sehr nette Wiesbadenerinnen nach dem Weg gefragt hatten (WIR sind ja schließlich keine Busfahrer!), wurde es bereits ziemlich knapp. Das größte Stück des Weges legten wir schließlich im Schweinsgalopp zurück, aber es half alles nichts. Wir konnten dem Bus gerade noch so nachwinken.
Mist! Damit würden wir den bestellten Rufbus verpassen! Das würde ganz und gar keinen guten Eindruck machen (Neuer Vermerk auf dem Busfahrerzettel: „Querulanten, die Rufbusse bestellen und dann nicht an der Haltestelle auftauchen!“). Unser guter Name wäre damit auf ewig ruiniert. Das durfte nicht passieren! Ein Flax verpasst nicht den Rufbus des RTV!!! Wir schnappten uns in der Nähe der Haltestelle ein Taxi, verfolgten den Bus und trafen schließlich fast zeitgleich an der entscheidenden Haltestelle ein. Puh! Der Rufbus war noch nicht da. Geschafft!
Als er dann kam, stiegen wir mit zwei weiteren Personen ein. Beide etwa in Max‘ Alter. Als wir saßen, drehte sich der Fahrer um. Er wandte sich mit folgenden Worten an uns: „So! Ich habe hier drei Bestellungen für den Rufbus. Zweimal Flax und einmal Müller. Wer von Ihnen ist wer?“ Wir gaben uns als die Flaxens zu erkennen, der junge Mann als Müller. Das Mädel saß beschämt im Sitz und sagte nichts. Darauf der Fahrer: „Und Sie?! Ich weiß, wer Sie sind! Sie sind Frau Schmitt! SIE haben den Rufbus vor einer Stunde bestellt. Da bin ich nämlich umsonst hier angefahren. Ich müsste sie gar nicht mitnehmen!!!“ Das Mädchen weinte fast.
Da klopfte es an die Tür und ein älterer Herr begehrte Einlass. Der Fahrer war bereits ordentlich in Fahrt und schnauzte ihn auch gleich an, dass er sich nicht angemeldet habe, und er laut Vorschrift nur angemeldete Fahrgäste zu transportieren habe. Darauf der Mann: „Ich warte eigentlich auf die Linie 123“. Der Fahrer blickte ihm tief in die Augen und antwortete: „ICH BIN die 123! – aber Sie haben mich nicht bestellt. Steigen Sie halt ein…“
Als wir auf der Höhe unseres Fahrtziels ankamen, meinte der Fahrer: „Herr Flax, es gibt da ein Problem. Die Haltestelle ist total verschneit. Ich könnte Ihnen anbieten Sie an der Haltestelle XYZ abzusetzen, oder…“ Der Bauherr unterbrach ihn gleich und meinte, dass das abolut perfekt wäre. Viel perfekter als die eigentliche Haltestelle an der Bundesstraße. Er fuhr uns praktisch bis vor die Haustür. Und wünschte uns noch einen schönen Abend. Aber den hatten wir ja schon gehabt. Schließlich hatte das Rufbussystem funktioniert. Und der Glühwein und die Reibekuchen waren auch lecker gewesen.