… Sold I to the merchant ships
Minutes after they took I
From the bottomless pit…“ – Bob Marley
Ja, gegen Ende des Arbeitstages hörte ich meine Lieblingskollegin nur noch stöhnen. Da sie sozusagen ein „Vierohr“ (analog zu „Vierauge“) ist, meinte sie: „Ich zieh‘ die Dinger nicht mehr an. Ich kann nicht mehr…“ Eine Minute vorher war das ca. hundertste „Kann ich mal bitte der Herr Meier sprechen?“ erklungen.
Da war dann irgendwie die Grenze der Belastbarkeit erreicht. Und mein Gegenüber brach mit den mehr gestöhnten als gesprochenen Worten „D-E-N… D-E-N… D-E-N!!!!“ auf dem Schreibtisch zusammen.
Gestern hatte uns bereits ein Einsatz unserer extrem sprachbegabten Kollegin den Tag versüßt. Auf meinem Bildschirm stand folgendes: „EMBASS OV JAMECA“. Einfach so. Und dann stand da noch: „BERLIN, FEAMAGINDOAFIASTRASSE“. Mmmmhhh… Auf Nachfragen erfuhr ich, dass ihr das am Telefon von Jemandem, der kaum Deutsch sprach, diktiert worden sei. Ich starrte ziemlich lange und ziemlich fassungslos auf die Worte direkt vor mir. Das musste eine Adresse sein. Immerhin standen da „Berlin“ und „Strasse“. Aber der Straßenname klang nicht sehr berlinerisch. Nicht einmal entfernt deutsch.
„… But my hand was made strong
By the hand of the Almighty
We forward in this generation
Triumphantly…“
Da Google ja prinzipiell mein Freund ist, begab ich mich auf die Suche. Und ich wurde fündig. Es handelte sich um die Jamaikanische Botschaft in Berlin. In der Schmargendorfer Strasse. Ich bin mir nicht sicher, wer schräger drauf war: die Rasta-Tante am Telefon oder meine liebe Kollegin.
„… Won’t you help to sing
These songs of freedom?
‚Cause all I ever have
Redemption songs
Redemption songs… „
Und heute legte sie gleich einen nach. Und das richtig ordentlich. Sie telefonierte mit einem Kollegen und ich bekam am Rande mit, dass es um Kanada ging. „Ja… Für Kanada brauche ich eine Instruktionsnummer… Die ist fünfstellig… Jaaaa-haaaa… Instruktionsnummer…“ Etwas später klang sie schon deutlich gereizter, als sie das Wort „Instruktionsnummer“ zu buchstabieren begann. Ich unterbrach sie vorsichtig mit einem „Äääähhh…“ und dann einem nachgeschobenen „… das heißt Institution number… also… Institutionsnummer…“. Brutal fuhr sie den Kollegen am Telefon an, das sie natürlich eine Institutionsnummer brauche. Und die gefälligst fünfstellig!
In dem Augenblick wurde mir dann klar, dass sie gar keine Institution Number, sondern eine Branch Number brauchte, aber ich hatte keine Lust mehr, sie nochmals zu unterbrechen. Wer weiß, wie brutal sie den Kollegen am anderen Ende der Leitung dann wohl anschreien würde… Der Rest des Tages ging in „No woman no cry“-Gesängen und „Ich brauche eine Induktionsnummer!„- oder „Gib mir sofort die Installationsnummer!“-Getuschel unter. Wir sind nicht albern, oder?
„… Emancipate yourselves from mental slavery
None but ourselves can free our minds…“
Und exakt diese Zeilen gingen mir dann auch den Rest des Tages durch den Kopf. Besonders als ich mich kurz darauf nachrichtentechnisch auf den neuesten Stand brachte. Wann war eigentlich genau der Punkt, als die ganze Sache kippte? Der Punkt, an dem die Idioten und selbstgerechten Deppen die Macht, und an dem die Vernünftigen die Arbeit übernahmen? Der Tag, an dem die Profilneurotiker und Dumpfbacken beschlossen hatten, dass sie mit Arbeitskreisen, Zukunftsvisionen und Planung derart ausgelastet waren, dass sie kaum noch Zeit hatten, ihre selbstbestimmten Gehälter auszugeben? Und mal im Ernst: Das funktioniert doch nur, weil die letzten intelligenten und anständigen Menschen zu pflichtbewusst und loyal sind, um den Deppen ihren ganzen Kram um die Ohren zu hauen, und weil sie tagtäglich die Arbeit tun, die ja nun einmal getan werden muss, damit alles irgendwie weitergeht. Oder täusche ich mich etwa?
„… How long shall they kill our prophets
While we stand aside and look? Ooh
Some say it’s just a part of it
We’ve got to fullfil the book…“
Es kann doch schließlich kein Zufall sein, dass zeitgleich das gesamte Abendland (vom Rest der Welt mal ganz zu schweigen…) von Korruption, Dummheit und Arroganz regiert wird. Wieso tun wir eigentlich alle noch brav unsere Arbeit, während deren Früchte auf Bunga-Bunga-Parties, unter Managern, bei Charity-Events und auf völlig überflüssigen Staatsempfängen verprasst werden?! Vielleicht sollten wir langsam nicht nur unsere Hörgeräte ab-, sondern auch unsere Gehirne anschalten…
„… Won’t you help to sing
These songs of freedom?
‚Cause all I ever had
Redemption songs
All I ever had
Redemption songs
These songs of freedom
Songs of freedom.“
Okay… ich hab’s endlich raus. Den ganzen Tag hab‘ ich überlegt, wo es wohl gleichzeitig verboten ist, Feuer zu legen und Blümchen mitzubringen. :irre:
Und: du hast so recht.