Horta machte uns den Abschied nicht wirklich leicht. Im Hafen, übrigens DER legendäre Anlaufpunkt für Segler und sonstige Atlantiküberquerer, fand ein Fest statt. Bereits in aller Frühe war fast das gesamte Areal abgesperrt. Und dabei waren wir ohnehin knapp dran.
Wir quetschten uns bzw. den 107 ohne Rücksicht auf Verluste an Absperrungen vorbei durch eigentlich gesperrte Straßen und schafften es gerade so, das Auto abzugeben und die Fähre zu erwischen.
Die Überfahrt verlief dann recht regnerisch und teilweise auch unruhig. Der etwas seekranke Gatte wurde skeptisch, was unseren Whale-Watching-Plan für Pico anging. Alleine würde ich das jedenfalls nicht machen.
Als die Sonne aufgegangen war, gingen wir in São Jorge – um genau zu sein: im Hafen von Velas – von Bord.
Den Hafen konnte man aber eigentlich nicht erkennen, da just im Moment des Anlegens ein extremer Starkregen auf uns niederging. Klatschnass rollten wir die Koffer vom Schiff. Klatschnass empfing uns die sehr nette Dame der ortsansässigen Autovermietung, und klatschnass erkannten wir, was sie uns da übergab: einen Peugeot 107! Waaaah!
Der war allerdings deutlich besser in Schuss als sein Vorgänger, den wir fast zu Tode gequält hatten. Man konnte sogar mancherorts im zweiten (!) Gang bergauf fahren. Sensationell! Trotzdem… Wieder ein Peugeot… Verdammt!
Er brachte uns am Ende zuerst zu einem Supermercado und schließlich zu unserem neuen Quartier. Wir packten wieder einmal aus und richteten uns ein.
Extremes Manko: kein Kühlschrank im Haus. Die Wasser- und Bierkühlung wurde schwierig. Erst des Biertesters kategorisches „Das ist kein Bidet! Das ist ein Sagres-mini-Kühler!“ löste das Problem, wenn auch nur ansatzweise. Richtig kalt bekamen wir die Getränke nie.
Praktisch, wenn man abends zur Entspannung nach eines langen Tages Müh‘ Rotwein vorzieht. Der ist auch ohne Kühlung immer auf Betriebstemperatur. Und auch auf São Jorge fand sich wieder der gute „Basalto“ im Supermercado.
Doch zwischen den Vinho tinto und mich hatte auch diesmal der Herr eine Wanderung gestellt. Mein Herr und Gebieter hatte zu diesem Behülfe den Weg zur Fajã dos Vimes ausgesucht. Er lockte mich mit dem Café Nunes und dessen selbst angebautem Kaffee. Wer könnte da schon Nein sagen?!
Das Wetter hielt, der Weg war schön. Wir starteten in Portal, von wo aus es erstmal bergab zur Fajã da Fragueira ging. An dieser Stelle sagt der Wanderführer: „Gut 40 Minuten geht es nun etwas mühsam am Meer entlang vor zur Fajã dos Vimes, deren erste Häuser wir schon links vorne erkennen.“ Was relativ harmlos nach Strandspaziergang klingt, war in Wirklichkeit – zumindest in meiner – ziemlich anstrengend.
Aber da war ja der Kaffee, der lockte. Als wir endlich im Cafè Nunes eintrafen, war ich in Schweiß gebadet. Das Wetter war eine Mischung aus „Danke, Sonne, es reicht jetzt!“ und Tropenhaus im Palmengarten. Als Kaffeepflanze hätte mir das auch gefallen. Aber auch nur als Kaffeepflanze.
Der Kaffee schmeckte himmlich und aktivierte letzte Kräfte. Die waren auch nötig für den Rückweg. Es ging extrem steil bergauf. Die Wirkung des Kaffees reichte nicht bis zum Auto. Ich schaffte noch den Aufstieg und ein Stück des Weges an der Straße entlang.
In einer Kurve ließ ich mich mit einer Flasche Wasser nieder, überließ den treusorgenden Gatten für die letzten knapp drei Kilometer sich selbst und beschäftigte mich bis zu seiner Rückkehr mit dem Auto damit, sorgenvoll aussehenden, vorbeifahrenden Azoranern eine lustige kleine Pause vorzuspielen. Prinzipiell waren sie alle bereit, mich zu retten, falls ich eine Rettung nötig gehabt hätte. Man hat ja aber irgendwie auch noch Stolz im Leib.
Auf dem Rückweg zu unserer Unterkunft kamen wir an meiner Thunfischkonservenfabrik vorbei! Das musste ich mir unbedingt anschauen. Leider war das Ganze recht unspektakulär. Außer dem Schild an der Straße gab es keinerlei Firmenschild an den Gebäuden. Und der Laster mit Gefahrenhinweisaufkleber mutete angesichts von Fischkonserven auch etwas seltsam an…
Der Abend endete mit der Trocknung unserer durchnässten Sachen und einem bidetgekühlten Sagres bzw. einem Rotwein auf der Terrasse. Übrigens auch in diesem Fall wieder mit Meerblick. Ich habe mich derartig an Meerblicke gewöhnt, dass es mich fast verwundert, wenn ich jetzt auf unserer Terrasse nirgendwo einen blauen Horizont entdecken kann.
Beim Frühstück tauschten wir uns mit den Nachbarn aus, die für diesen Tag den gleichen Plan wie wir hatten. Der Plan lautete: von der Serra do Topo über Fajã da Caldeira de Cima und Fajã da Caldeira do Santo Cristo zur Fajã dos Cubres. Im Wanderführer heißt sie „die meistbegangene Wanderung auf São Jorge“, was kein Wunder ist, das es im Prinzip immer nur bergab geht. Selbst Luschen wie ich schaffen sie.
Da es sich hier nicht um eine Rundwanderung handelt, ist natürlich klar, dass man irgendwie vom Endpunkt wieder zurück zum Ausgangspunkt gelangen muss. Dazu empfiehlt sich prinzipiell ein Taxi. An dieser Stelle kam vom Inhaber der Unterkunft der Tipp, sich zusammen zu tun, ein Auto im Ziel abzustellen, zu viert mit dem anderen Auto zum Beginn der Wanderung zu fahren und sich dann am Ende wieder zu treffen. Seine Bemerkung, dass wir das aber keinesfalls die Taxifahrer wissen lassen sollten, warf bereits ein seltsames Licht auf diese Berufsgruppe.
Wir konnten uns nicht so recht einigen, die beiden Anderen schienen von der Idee am Ende des Weges aufeinander warten zu müssen, nicht so recht angetan. So fuhren wir getrennt los, beherzigten aber den zweiten Tipp, die Autos am Ziel abzustellen und dann ein Taxi zur Serra do Topo zu nehmen. Im Café der Fajã dos Cubres trafen wir uns wieder. Wir hatten gerade das Taxi bestellt und beschlossen, es zu viert zu nutzen. Jetzt musste es nur noch kommen.
Und das war nicht so einfach. Am Ende fällt die ganze Sache in die Kategorie „Als wir einmal einen Krieg unter Taxifahrern anzettelten“. Wir hatten die wirklich sehr nette Frau in der Bar gebeten, das Taxi zu rufen. Sie telefonierte etliche Taxifahrer ab, die aber offensichtlich gerade keine Zeit / Lust / etwas Besseres zu tun hatten. Etwa beim siebten Versuch, erklärte sich jemand freundlicherweise bereit, uns abzuholen. In etwa zehn Minuten.
Da es sich um zehn azoranische Minuten handelte, gingen wir erstmal von einer halben Stunde aus. Nach einer halben Stunde war allerdings immer noch kein Taxi da. Gut… Der Kaffee schmeckte ausgezeichnet, und prinzipiell litt man während der Warterei ja auch nicht gerade Höllenqualen, aber irgendwann sollte das Taxi nun doch einmal kommen.
Und irgendwann kam es. Wir waren begeistert und stiegen ein. Als wir etwa zwei Serpentinen oberhalb der Fajã waren, kam uns ein anderes Taxi entgegen. Nicht weiter verwunderlich eigentlich. Weitere vier Serpentinen später klingelte das Handy unseres Taxifahrers. Es kam zu einem lautstarken „Gespräch“ auf portugiesisch. Offensichtlich war der Anrufer ziemlich erregt. Irgendwann war das Gespräch beendet und unser Taxifahrer erklärte uns, dass der andere Taxifahrer unterwegs gewesen sei, um uns abzuholen.
Wie jetzt?! Wir saßen gar nicht in DEM Taxi, das wir hatten rufen lassen?! Fassen wir es kurz zusammen: „Unser“ Taxifahrer sprach sehr gut englisch, aber wir waren bis zum Ende der Fahrt, während der noch zweimal das Handy klingelte, um Verwünschungen über uns und „unseren“ Taxifahrer zu ergießen, nicht sicher, was sich nun tatsächlich zugetragen hatte. Im Nachhinein vermuteten wir, dass das Taxi, das wir genommen hatten, nicht für uns bestimmt gewesen war.
Es hatte uns dem anderen Fahrer weggeschnappt. Und der war sauer. Richtig sauer. Familienfehde-bis-ins-zehnte-Glied-sauer. Da würde auch keine Flasche Basalto mehr helfen können. Wir waren am Ende echt froh, am Miradouro abgeladen zu werden. Das Taxi mit dem Handy fuhr ab. Der hasserfüllte Kollege würde uns niemals identifizieren können. Juhuuu!
Jeweils zu zweit marschierten wir los. Unsere neuen Freunde bevorzugten ein gemächlicheres Tempo, sodass ich mir recht flott vorkam.
Unterwegs trafen wir auf eine etwas absurde Gruppe von Menschen in Taucheranzügen (?), die in einer Reihe über eine Wiese marschierten. Um eine Raftinggruppe konnte es sich nicht handeln. Der nächste Bach war zu flach. Abgeseilt konnten sie sich auch nirgendwo haben. Dazu war der nächste Berg zu weit. Wir hakten es schließlich schulterzuckend als deutsche Bankmanager beim Teambuilding ab.
Als wir in der Fajã da Caldeira do Santo Cristo ankamen, lockte das „Café O Borges“. Der Gatte fand im Besitzer recht schnell einen Freund fürs Leben. Am Ende wurde er gar ob seines nahezu perfekten Portugiesischs gelobt. Die beiden hatten sich einfach gefunden. Schön, so eine Männerfreundschaft!
Der Rest des Weges zurück zur Fajã dos Cubres ging ein wenig auf und ab, war aber wirklich sehr schön. In der Fajã selbst schauten wir uns die beiden Seen an, die diversen Vögeln als Brutgebiet dienen. Anschließend ging es zurück zum Auto. Gottlob wartete der wütende Taxifahrer im Café nicht auf uns. Wir bestiegen unbehelligt unseren Peugeot und brausten von dannen.
Zum Abendessen gab es ein Buffet im „Restaurante Urzelina“ in Urzelina. Eine Bestellung à la carte war – aus welchen unerfindlichen, auf portugiesisch heruntergeratterten Gründen leider nicht möglich. Aber wir hatten Hunger. Und so war das Buffet eigentlich ganz nett. Besonders die nach Maronen schmeckenden Süßkartoffeln. Und der Fisch war auch lecker. Und am Ende kostete der ganze Spaß für zwei Personen EUR 25,- inkl. Getränken. Empfehlenswert, wenn man regionales Essen zu einem absolut angemessenen Preis testen möchte. Viele Einheimische aßen an diesem Abend dort.
Für den folgenden Tag plante der wanderfreudigste Gatte der Welt eine Tour von der Fajã dos Vimes (die mit dem Kaffee!) zur Fajã do São João. Ich klinkte mich aus. Man muss Männer ja auch mal sich selbst überlassen. Zudem war das ganz praktisch, da ich ihn erst absetzen und hinterher wieder einsammeln konnte. Der Plan, die Zwischenzeit für Fotos zu nutzen, scheiterte am wechselhaften Wetter.
Als mich der „Du kannst mich jetzt abholen“-Anruf erreichte, machte ich mich auf den Weg, wurde aber durch dichten Nebel auf der Straße über das Hochland aufgehalten. „Aufgehalten“ bedeutet in diesem Fall, dass ich fast blind im Schneckentempo unterwegs war, und trotzdem beinahe eine Kuhherde, ein Quad und einen unbeleuchtet auf der Straße abgestellten Jeep gerammt hätte. Das muss mir erstmal jemand nachmachen!
In der Fajã São João tranken wir in einem sehr kleinen Café mit einer sehr netten Bedienung einen sehr guten Kaffee und wanderten noch ein wenig am Meer entlang. Am Ende schauten wir uns noch die Häfen von Urzelina und Terreiros an.
Für den Abend war ein Besuch im „Os Amigos“ in Calheta geplant. Diesen Plan setzten wir dummerweise auch in die Tat um. Und das war wirklich der einzige brutale Fehlgriff des ganzen Urlaubs – obwohl uns am Morgen u.a. dieses Restaurant empfohlen worden war. Es war grauenvoll.
Das einzig Gute, das man über dieses Etablissement sagen kann, ist, dass das Bier gut gekühlt war, und dass der Rotwein einigermaßen erträglich schmeckte. Ansonsten stimmte da gar nichts. Dreckige Scheiben, dreckige Glastüren, hauchdünn geschnittene Lachssteaks, überteuerte Lapas, geschmackloser Salat, liebloses Essen at it’s best! Wir verzichteten am Ende sogar auf den Kaffee und einen Blick in die Dessertkarte – und zahlten trotzdem mehr als am Vorabend. Nix wie raus hier! Das war das mit weitem Abstand fieseste Essen auf allen von uns besuchten Azoreninseln. Gulp!
Es machte einem immerhin den Abschied von São Jorge leicht. Am nächsten Morgen ging es nämlich mit der Fähre weiter nach Pico.