Am nächsten Morgen packten wir in Ksamil unsere Sachen und machten uns auf den Weg nach Berat. Stop! Falsch! Ich Depp! Am Vorabend war mir nämlich beim Essen eingefallen, dass ich morgens noch würde liefern müssen – hatte ich mich doch leichtsinnigerweise auf Instagram der Challenge #ichkochedeinensong angeschlossen.
Mir war Free your mind von En Vogue zugelost worden. Nicht, dass das jetzt bei mir in Endlosschleife laufen würde, aber wenigstens war es ein Song, der einem etwas kreativen Freiraum bot. Und der war in meinem Zustand mehr als nötig. Bereits während des Abendessens verfiel ich – auch angesichts der bevorstehenden Aufgabe – zusehends. Fieber! Verdammt!
Das Essen – abermals im Mussel House – erfüllte die Erwartungen. Wir saßen perfekt auf dem kleinen Steg mitten im Wasser. Wie gesagt: Ohne Rüsselpest und Kochpanik wäre das ein perfekter Abschiedsabend vom Meer gewesen. So war es halt ein wenig chaotisch.
In der Unterkunft durchkämmte ich den Kühlschrank und bastelte im Kopf aus dem Inhalt etwas zusammen, bevor ich in einen todesähnlichen Schlaf fiel.
Morgens ging es mir eher schlechter als besser. Da wir aber in unserer nächsten Unterkunft in Berat keine Küche haben würden, musste das jetzt sein. Ich improvisierte. Free your mind halt.
Da waren noch zwei von den hervorragenden Eiern. Ich kochte sie wachsweich. Es gab noch Tomate, Pfirsich, etwas Djathë i bardhë dele, Oliven und Brot. Und das kam dabei heraus. Puh! Geschafft! Sogar das Saatgut der Tomate wanderte noch ins Handgepäck. Wir packten das Auto und starteten durch.
Berat, die Stadt der tausend Fenster
In Berat checkten wir für eine Nacht im Gästehaus Emiljano direkt unterhalb der Burg ein. Das erwies sich als außerordentlich gute Entscheidung. Die unglaublich nette Dame, die das Gästehaus führte, ist wahrhaftig ein Goldschatz. Ein Goldschatz mit einem großartigen Garten am Haus. Das nahm ich allerdings nur halb im Nebel wahr. Ich sank ins Bett. Der Gatte machte sich nochmal auf den Weg, um sich Berat anzuschauen und um mir in einer Apotheke Nasenspray zu besorgen. Ibuprofen hatten wir dabei. Das langte fürs Erste.
Am nächsten Morgen vor der Abreise erwartete uns ein überaus opulentes Frühstück unter dem gestrengen Blick Skanderbegs. Leider war das die einzige Nacht in Berat. Hier hätten wir es länger ausgehalten. Aber wir wollten ja weiter nach Shkodër. Wir packten, der Gatte schleppte das Gepäck zum Auto und wir verabschiedeten uns von unserer unglaublich netten Gastgeberin. Zur Burg hoch würde ich es schaffen. Ich musste es schaffen. Und ich schaffte es auch. Nicht vollumfänglich, aber zumindest ohne Gesichtsverlust vor mir selbst.
Wir tranken zwischendurch noch einen Kaffee auf der Burg, der Gatte drehte noch zwei Extrarunden und ich machte mich langsam an den Abstieg. Mit dem Auto ging’s nochmal runter in die Stadt der tausend Fenster, die der Gatte bereits vorsondiert hatte. Ich schaffte es, meine Fotos zu machen. Berat ist wirklich hübsch. Man sollte hier definitiv einen Tag mehr einplanen. Woher es seinen Beinamen hat, ist nicht schwer zu erraten.
Die beiden Stadtteile sind im entsprechenden Wikipedia-Artikel unter Sehenswürdigkeiten sehr gut erklärt: Wiki-Link.
Mangalem: Dieser Stadtteil zieht sich den Hügel zur Burg hinauf. Die Häuser stehen sehr dicht, die Fassaden zum Tal haben alle große Fenster. Diesem Viertel verdankt deshalb die Stadt ihre Bezeichnung „Stadt der tausend Fenster“. Im ehemals nur von Muslimen bewohnten Quartier stehen die Junggesellenmoschee, die Bleimoschee und die Königsmoschee sowie die Halveti-Tekke und das Ethnographische Museum, das einen Einblick in die Lebensweise zur türkischen Zeit erlaubt. Fast an der steilsten Stelle des Burgbergs klebt die kleine Michaelis-Kirche über dem Fluss. In diesem Stadtviertel befindet sich zudem die Rüfai-Tekke.
Gorica: Lange war dieses Viertel nur durch eine Brücke mit dem Rest der Stadt verbunden, weshalb sich hier nur wenig verändert hat. Sehenswert ist insbesondere das St.-Spyridon-Kloster von 1864. Die osmanische Steinbrücke mit Namen Ura e Goricës wurde 1780 unter einem gewissen Ahmed Kurt Pascha gebaut; sie ersetzte damals eine ältere Holzbrücke. 1922 wurde sie von der Stadtverwaltung erneuert.
Was mir ein wenig Angst machte, war dieser Abschnitt: 2008 wurde die Altstadt von Berat in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Dort wird sie nun gemeinsam mit Gjirokastra als Beispiel für den Erhalt einer ottomanischen Stadt und die Koexistenz verschiedener Kulturen geführt. Gemäß einem Bericht des International Council on Monuments and Sites vom April 2013 befinden sich das Weltkulturerbe von Berat und dasjenige von Gjirokastra in Gefahr. Größtes Problem wären die vielen illegalen Bauten nahe den historischen Stadtzentren, vor allem in Gjirokastra. Ein weiterer Mangel bestünde in einer ungenügenden Überwachung über die Entwicklung vor Ort. Zudem müssten einige wichtige Änderungen in der Gesetzgebung gemacht werden. Die beiden Stätten drohten auf die Rote Liste des gefährdeten Welterbes gesetzt zu werden.
Wenn es nach mir ginge, hätte ich gleich an diesem Tag – selbst in meinem geschwächten Zustand – den Abriss des völlig deplaziert wirkenden Hauses am Flussufer in Angriff genommen. Wer Derartiges baut, gehört für ein paar Minuten mit Ali Pascha allein gelassen. Mit einem nicht sehr gut gelaunten Ali Pascha.
Weiterreise nach Shkodër
Wir setzten schließlich unseren Weg nach Shkodër fort. Die Fahrt war anstrengend dank nerviger Staus und permanenter Missachtung aller Verkehrsregeln durch eine Reihe von Fahrern, die mit uns unterwegs waren und offensichtlich wahnsinnig wichtige Termine hatten. Da wurde mit Vollgas durch Tankstellen abgekürzt oder auf der Gegenfahrbahn am Stau vorbeigefahren, bis ein entgegenkommendes Auto die Weiterfahrt bremste.
In Shkodër angekommen, bezogen wir ein sehr hübsches kleines Häuschen auf dem Berg – die Anlage aus fünf oder sechs Bungalows mit Restaurant heißt Bujtina e Muriqit. Das war alles sehr gut durchdacht. Die Häuschen enthielten außer einer Küche alles, was man so brauchte. Es gab sogar jeweils einen kleinen Kühlschrank.
Zum Abendessen gingen wir die paar Schritte zum Restaurant. Und das blieb auch an den folgenden zwei Abenden bis zur Abreise so. Das Essen war solide und touristenkompatibel, der Weg war kurz, ich war geschwächt. Passte!
Am nächsten Tag passte nur einer, nämlich ich. Ich verbrachte den Tag zwischen Bett und Terrasse, während der Gatte sich Shkodër anschaute. Ich sah von der Stadt am nächsten Tag ein wenig, aber dazu später.
Krank in Shkodëer
Da der Tag zumindest für mich ein ein Totalausfall war, gibt’s jetzt nur eine bunte Mischung aus zwei Fotos des Terrassenblicks, Handyfotos des Gatten aus Shkodër, der mich ein auf diese Weise wenig mitnahm bei seiner Stadtbesichtigung, und Fotos von Ofen-Kaçkavall und Pizza beim Abendessen. Und des hausgemachten Trilece-Desserts des Gatten. Bei Sonnenuntergang war ich sicher, dass es ab jetzt wieder bergauf ginge mit mir. Es gibt wirklich wenig Blöderes, als im Urlaub krank zu sein.
Traumhaft: der Koman-Stausee
Für den nächsten Tag hatten wir eine Fährfahrt auf dem Koman-Stausee geplant. Dazu ging es sehr früh morgens nach Shkodër, wo wir mit einer Reihe anderer Touristen einen von mehreren Kleinbussen bestiegen, die uns zum See bringen würden. Die Anlegestelle war 34 Kilometer entfernt. Google berechnete eine Fahrtzeit von einer Stunde und 42 Minuten. Da wir allerdings den einzigen defensiv fahrenden Menschen in ganz Albanien am Steuer hatten, dauerte es etwa zwei Stunden. Als wir durch den Tunnel zur Fähre gelaufen waren, waren alle Sitzplätze bereits besetzt.
Das machte die Hinfahrt auf der Fähre ebenfalls ziemlich anstrengend. Anfangs saßen wir auf dem Boden. Da konnte man aber nichts sehen. Also standen wir wieder auf. Fotos waren nur unter erschwerten Bedingungen möglich, aber sie mussten sein. Zu schön war die Landschaft um uns herum. Atemberaubend! Am Wendepunkt blieben wir auf der Fähre und sicherten uns damit zwei gute Plätze mit Aussicht für die Rückfahrt. Achtung! Minimale Foto-Eskalation!
Der Koman-Staudamm wurde noch unter der Regierung Hoxhas begonnen und in den Jahren 1980 bis 1988 erbaut. Das dazugehörige Wasserkraftwerk trug anfangs gar seinen Namen. Der Stausee – Liqeni i Komanit – liegt perfekt. Das Wasser leuchtet in allen erdenklichen Grün- und Blautönen. Auf der Fähre passiert man an einer Stelle eine sehr schmale Felsdurchfahrt, die einen fast an Norwegen denken lässt. Der Fels ist mal schroff, mal bewaldet. Ich bin bei den Fotos trotz meiner noch hohen Virenlast ein wenig eskaliert.
Die Fahrt zurück zum Auto nach Shkodër dauerte dann nicht ganz so lang wie die Hinfahrt. Wir hatten einen Fahrer, dessen Fahrstil das exakte Kontrastprogramm war. Unseligerweise saß ich exakt auf dem Radkasten, was dafür sorgte, dass ich kaum ohne fremde Hilfe aussteigen konnte. Als wir abgeladen wurden, überdachten wir unseren Abendsessensplan nochmals. Wir waren platt und wollten nur noch in die Unterkunft. Aber zuerst musste das Auto gefunden werden. Nach einiger Sucherei fiel mir ein, dass ich morgens direkt am Auto ein Handyfoto gemacht hatte. Von einem Rossmann & Lala-Prospekt, der am Bordstein lag. Dank der Bilddaten, konnten wir die Stelle orten und damit kurz danach auch unser Auto. An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank an Altin Lala für unsere Rettung.
Wir haben inzwischen auch kurz überlegt, an der heimischen Rossmann-Filiale ein „&LALA“ anzubringen, wissen aber nicht genau, wie witzig das Dirk Rossmann findet. Zum Thema gibt’s ein Interview mit Altin Lala: Altin Lalas zweite Karriere als Rossmann Albaniens. Jaaa… Ich habe die Welt verlinkt… Sorry dafür…
Unseren letzten albanischen Abend verbrachten wir dann also kurzerhand nochmals im Restaurant des Bujtina e Muriqit. Und Fotos gibt’s auch noch. Der Vollständigkeit halber. Wobei das Byrek vorneweg und meine Pasta wirklich gut waren. Der Gatte hatte eine Pizzawiederholung, die es nicht aufs Foto geschafft hat. Pica 4 djathrat, ich habe heute leider kein Foto für dich.
Am nächsten Morgen gab es noch ein frühes Frühstück. Wieder mit den hervorragenden frisch ausgebackenen Petulla, die ich absichtlich bisher nicht nicht erwähnt habe. Es handelt sich um eine Art albanische Kreppel, die mit Honig und / oder Marmelade serviert werden. Man kann sie auch mit Käse essen, wenn es nicht süß sein soll.
Da unser Kellner im Stau stand, wurden sie uns von der Köchin selbst serviert. Das war ähnlich herzlich-mütterlich-liebevoll wie in Berat. Ein schöner Abschied.
Rückreise mit Problemen
Und dann kam, was immer kommt: Ab zum Flughafen, weg mit dem Leihwagen und ab in den Flieger, gut zwei Stunden später Landung in Düsseldorf, Kofferband, Rückfahrt. Wobei die Rückfahrt fast noch gefährdet war. Im Auto leuchtete, als wir noch nicht mal auf der Autobahn waren, die Warnleuchte der Lichtmaschine auf. Hektisches Blättern in der Betriebsanleitung. Fazit: Die Batterie wird nicht mehr oder nicht mehr ausreichend aufgeladen. Das Auto war krank, aber nicht tot. Der Gatte schaltete alles ab, das wir nicht unbedingt zum Fahren benötigen würden. Gebannt starrten wir während der kompletten Fahrt in den Display, der den Ladestand der Batterie anzeigte.
Wir nahmen schließlich die Abfahrt vor unserer, da wir lieber auf der Landstraße als auf der Autobahn liegen bleiben wollten. Aber das treue Gefährt schaffte es dann aber doch noch mit letzter Kraft auf seinen Stellplatz. Puh!
Petulla: albanische „Kreppel“
Kommen wir jetzt wieder zum Mitmachteil des Blogposts. Hier das Rezept für die Petulla:
Zutaten
- 300 g Weizenmehl Type 550 plus etwas zum Bearbeiten
- 100 ml Milch lauwarm
- 100 ml Wasser lauwarm
- 1 TL Zucker gestrichen
- 1 Prise Salz gestrichen
- 3 g Trockenhefe gestrichen
- neutrales Pflanzenöl zum Ausbacken
Anleitung
- Milch, Wasser, Zucker, Salz und Hefe miteinander verrühren. Mehl zugeben und einkneten.
- Teig in einer geölten Schüssel abgedeckt gehen lassen, bis er sich etwa verdoppelt hat. Man kann den Teig auch über Nacht im Kühlschrank lagern und morgens "anspringen" lassen.
- Erneut verkneten und nicht zu dünn ausrollen. Mit einem Glas oder einem Ausstecher Kreise abstechen. Etwas gehen lassen, während das Öl auf Betriebstemperatur kommt.
- Öl in einem Topf auf mittlere Temperatur erhitzen.
- Teigstücke ins heiße Öl gleiten lassen und rundum knusprig ausbacken. Ich wollte sie beim ersten Versuch besonders schick und habe kleine Bällchen geformt. Beim nächsten Versuch halte ich mich ans Ausstechen der netten Frau.
- Auf Küchenkrepp abtropfen lassen. Mit Marmelade, Honig oder Käse (Feta) servieren.
Dazu gab’s hier Johannisbeergelee aus schwarzen Johannisbeeren – fürs Foto noch flott aus meinem Saft eingedickt – und etwas von den am Abend vor der Abreise auf den letzten Drücker eingekochten Pfirsiche, die plötzlich reif geworden waren und die keinesfalls bis zur Rückkehr am Baum bleiben konnten.
Damit wären wir also endlich wieder im Hier und Jetzt angekommen. Und wenn ich es denn mal schaffen würde – alljährlich der gleiche Mist! – mein SSL-Zertifikat zu verlängern, könnten wir dann jetzt auch mit Alltag hier weitermachen. Es wird natürlich in nächster Zeit noch ein paar albanische Rezepte geben. Und ich überlege, noch ein paar Tipps für den Albanien-Urlaub zusammenzuschreiben. Das kommt dann im Paket.
Albanien, war schön mit dir. Und spannend. Und abwechslungsreich.