„Bitte genau am 16. Oktober bloggen nicht davor und nicht danach. “ So steht das da. Bei Zorra. Okeeehhh… Das stand schon in den letzten Jahren – natürlich mit abweichenderJahreszahl – exakt genauso da, aber es hatte mich trotz prinzipieller Vorhersehbarkeit stets eiskalt erwischt. Im Vorfeld ewig überlegt und rumgeplant – und dann kam alljährlich der „Oh! Wie jetzt?! Schon Weihnachten?!“-Effekt. Verdammt!
Ausgerechnet in diesem Jahr war es noch deutlich knapper als sonst. Vier Tage nach der Rückkehr aus dem Urlaub. Und dann auch noch in der arbeitstechnisch bislang kritischsten Phase meines bisherigen Berufslebens. Küchenzeiten wurden in den letzten Wochen schleichend mehr und mehr zurückgeschraubt. Der Satz „Man kommt ja zu nix!“ – *abgrundtiefesSeufzen* – vermag nur ansatzweise das wahre Ausmaß der Tragödie abzubilden.
In der Mittagspause, als ich mein Ich-komm-nicht-mal-mehr-zum-Kochen…-Dilemma der Standort-Lieblingskollegin schilderte, wurde als mögliche Erklärung bereits „Burnout“ vorgeschlagen. Nix da! Nicht mit mir. Wenn hier was einen Burnout hat, dann isses der Ofen! Oder meinethalben auch ein Topfboden.
19:02 Uhr – knapp fünf Stunden vor Shut down! Ich beschließe, einen Teig anzusetzen. Nur so. Versuchsweise. Um nicht kampflos aufzugeben. Und dann lasse ich das Schicksal entscheiden. Geht er auf, wird gebacken. Im gegenteiligen Fall werde ich meinen Last-minute-Versuch einfach eigenhändig im Keim ersticken und anschließend totschweigen. Das ist zumindest der Plan.
Dass ich ja bei einem möglicherweise positiven Ergebnis auch noch werde bloggen müssen, verdränge ich erstmal. Muss man dann mal sehen. Oder so.
20:49 Uhr – Halbwegs passabel geformt liegt der Teig erstmal im Ofen. Puh. Ich habe das T80 zum Einsatz gebracht und hoffe, dass es das Wunder vollbringen wird, auf das ich hoffe. Noch gut drei Stunden zum Abbacken, Fotografieren und Bloggen. Könnte eng werden… Die Fotos bis hier hin wurden erstmal mit dem Handy aufgenommen. Keine Zeit für lange Firlefänzchen und Ästhetikspielchen, zumal eine meiner Fotolampen gerade auch einen Burnout hatte. Licht gibt’s jetzt nur noch von einer Seite.
21:01 Uhr – Ich habe die ersten Handyfotos bearbeitet (falls man das so nennen kann…) und gelobe, dass ich die ganze Aktion nochmals wiederholen und die Fotos austauschen werde, falls das Brot etwas wird. Wenigstens das.
21:02 Uhr – Ich habe vergessen, das Brot einzuschneiden. Ich! Habe! Vergessen! Das! Brot! Einzuschneiden!
Egal… Eh zu spät jetzt.
21:23 Uhr – Das Brot liegt gerade auf einem Kuchenrost. Es wurde fotografiert. Mit der Kamera. Die zweite Fotolampe hat ihren Burnout überraschenderweise zumindest kurzfristig überwunden. Bis zum Anschneiden muss es noch auskühlen.
Bei näherer Betrachtung sieht es aus wie ein menschlicher Magen. Wenn man das Foto an der waagerechten Achse spiegeln würde (sozusagen „den Magen umdrehen“…), wäre das auch auf den ersten Blick erkennbar. Mache ich aber nicht. Immerhin hat es die gewünschte Farbe. Und es macht auch ansonsten einen erstaunlich guten Eindruck. Während es auskühlt, versuche ich mal, eine Art Rezept zu schreiben.
21:53 Uhr – Brot angeschnitten, Brot fotografiert, Brot testweise an den Gatten verfüttert, Rezept geschrieben. Check.
Zutaten
- 300 g Urweizenmehl, T80
- 1 TL Trockenhefe
- 1 TL Salz
- 1 TL Zucker
- 250 ml lauwarmes Wasser - je nach Mehl etwas mehr oder weniger
Anleitung
- Trockene Zutaten in einer reichlich großen Schüssel mischen. Warmes Wasser nach und nach zugeben und mit einem Löffel unterrühren. Je nach Beschaffenheit dosieren. Der Teig sollte schon sehr feucht, aber nicht flüssig sein. Schüssel mit einem feuchten Küchentuch abdecken und bei 30°C im Ofen für geschätzt eineinhalb Stunden abgedeckt gehen lassen.
- Wenn der Teig sich etwa verdreifacht hat, ein Leinenhandtuch großzügig bemehlen und den Teig darauf kippen (oder eher schaben...). Von oben ebenfalls etwas bemehlen und mit Hilfe des Tuchs je einmal von unten und einmal von oben umklappen. Abdecken.
- Ofen mit Pizzastein darin auf 245°C Ober-/Unterhitze vorheizen.
- Teig auf Backpapier kippen und einschneiden. In den Ofen schieben.
- Brot etwa 45 Minuten abbacken. Zwischendurch - nach etwa 30 Minuten - einmal umdrehen. Und kurz vor Schluss der Backzeit wieder zurück drehen.
- Vor dem Anschneiden mindestens eine halbe Stunde auf einem Kuchenrost auskühlen lassen.
22:04 Uhr – Ich bin fertig. Wörtlich und im übertragenen Sinne. Das Brot auch. Es schmeckt hervorragend. Es ist exakt so geworden, wie ich es mir vorgestellt hatte. Dicke, dunkle Kruste, innen flauschig. Fast maltesisch – auch wenn es eher eine – sehr dunkle – Ciabatta-Optik hat.
Ganz ehrlich? Ich bin begeistert. Vom Brot. Und vom widerlegten Burnout. Gekocht habe ich übrigens auch. Pah!
22:16 Uhr – Mein Brot hat keinen Namen. Brot! Ich taufe dich „Brot ohne Namen“. Für mehr ist jetzt wirklich keine Zeit mehr.
An dieser Stelle geht mein ausdrücklicher Dank an Zorra und das T80 – ohne euch wäre das alles nicht möglich gewesen.
Ich bin emotional immer noch irgendwo zwischen verblüfft und freudig erregt. Niemals hätte ich gedacht, dass dieses im letzten Augenblick intuitiv hergestellte Brot mir so außerordentlich gefallen würde. Es ist genauso geworden, wie ich gehofft hatte. Erstaunlich.
Aber das ist ja auch das Faszinierende an Brot: Es läuft, oder es läuft eben nicht. Und: Mit fortschreitender Erfahrung gewinnen die Tage, an denen es läuft, die Oberhand.
„Bad Bread Days“ ignorieren wir dabei mal großzügig.