Herbst ist für uns seit einigen Jahren gleichbedeutend mit einer Auszeit auf Gozo. Ein paar Tage Durchatmen bevor es in den Jahresendspurt geht. Und ein Urlaub auf Gozo ist inzwischen mehr wie Nach-Hause-kommen. Man kennt sich aus – prinzipiell auch keine Schwierigkeit bei einer recht überschaubaren Insel – und das Spannendste am Urlaub ist, welches Restaurant geschlossen hat oder wo eine Straße frisch geteert wurde. Manchmal ist es aber genau das, was man braucht.
Und diesmal trieben wir es mit der Ruhe auf die Spitze: Wir hatten ein Farm House in Għasri gebucht. Beschaulicher geht es selbst auf Gozo kaum. Għasri ist die kleinste Gemeinde der Insel mit etwa 500 Einwohnern.
Aber beginnen wir mal mit dem Abflug.
Die Fahrt nach Frankfurt über die A3 war gruselig. Das Wetter neblig und verregnet. Fast so, als ob man uns den Abschied leicht machen wollte. Trotz Radioberichten noch während der Fahrt, nach denen der Fraport total überfüllt sein würde, lief alles problemlos. Vermutlich waren wir einfach nur knapp vor dem Ansturm dort. Der Flug hatte dann zwar etwa eine Stunde Verspätung, da das Flugzeug auf den letzten Drücker ausgetauscht werden musste, aber was soll’s?! Urlaub! Wir gewannen eine Gratis-Busfahrt zum defintiv abgelegendsten Ort auf dem Flughafengelände – in einem voll besetzten und unklimatisierten Bus.
Irgendwann ging’s dann doch los – und da wir einen BusinessClass-Schnapper gemacht hatten, konnten wir die Beine ausstrecken und und überlegen, was wir auf der Rückreise alles ohne Übergepäck-Panik mitschleppen würden können. Das im Koffer mitreisende Einhorn wäre perfekt geeignet, sich auf dem Rückflug schützend um wertvolle Wein- und Olivenölflaschen zu schmiegen.
Und es gab sogar etwas zu essen an Bord. Wir waren hoherfreut, dass es wieder vom „Tasting Heimat“-Caterer kam. So simpel und absolut essbar kann Flugzeugessen sein. Gut… Ich hätte vor dem Foto prinzipiell die Plastikhaube abnehmen können. Musste aber schnell gehen. Wir hatten beide noch nichts gegessen und waren praktisch direkt vom Schreibtisch in den Urlaub gestartet.
Dann kam, was immer kommt: Abholung eines Mietwagens, Fahrt zum Fähranleger in Ċirkewwa, Überfahrt nach Gozo. Als Mġarr in Sicht kam, war es bereits dunkel.
Zwischendurch kommunizierte der Gatte mehrfach mit unserem Vermieter. Alles lief hervorragend. Seine Mutter und seine Großmutter – zwei überaus nette Damen, denen der Stolz auf ihr Haus deutlich anzumerken war – begrüßten uns an der Tür und gaben uns eine Kurzeinweisung. Wir konnten im Dunkeln noch einen Blick auf unsere Unterkunft werfen, bevor uns der Hunger übermannte. Wir stellten fest, dass das Brookies in Victoria nur knapp zwei Kilometer Fußweg entfernt war – und marschierten los.
Wie erwartet aßen wir außerordentlich gut. Allerdings waren wir völlig überrascht, wie leer das Brookies war. Gut für uns. In den Jahren vorher hätten wir ohne Reservierung an einem Fretag Abend vermutlich keinen Tisch bekommen. Trotzdem seltsam. Zumal das Essen nochmal deutlich einen Schritt nach vorne gemacht hatte.
Ein Hummus mit Brot vorneweg. Ich hatte einen Grouper in einer gar köstlichen Krustentier-Pernod-Velouté, der Gatte ein Flank Steak vom Grill. Der Gargrad bei beidem war perfekt getroffen. Da stimmte alles. Dazu verschiedene Beilagen. Der Rückweg bergauf war anschließend frisch gestärkt sehr gut machbar.
Am nächsten Morgen brach der Gatte zeitig auf. Sein erster Tauchgang stand an. Ich kümmerte mich um den Kaffee und toastete Brot, das unsere Vermieter uns freundlicherweise inklusive etwas Schinken und Käse bereit gestellt hatten. Zusätzlich noch zwei Flaschen Wasser. Das rettete uns nachts das Leben.
Zum Running Gag „Kaffeezubereitung“: Wir haben endlich eine Lösung, eine Dauerlösung! Der Gatte hatte uns zu Weihnachten zwei AeroPress-Geräte geschenkt. Die Dinger funktionieren ausgezeichnet und wiegen fast nichts – also extrem urlaubskompatibel. Alles, was es braucht, ist heißes Wasser, Kaffee und diese kleinen Papierfilterblättchen. Es wird also zukünftig leider keine Fotos von improvisierten Kaffeezubereitungskonstruktionen mehr geben. Sorry…
Als der Gatte mittags vom Tauchen kam, war klar, was anstand: unser traditioneller Antrittsbesuch in der San Blas Bay. Wir hatten bereits im Vorfeld bei Kioskinhaber Steve angefragt, ob er noch offen habe, wenn wir kommen würden. Erst sah es nicht so aus. Er wollte so ab dem 20.10. schließen. Dann hatten wir aber noch richtig Glück. Das gute Oktoberwetter hatte ihn von einer außergewöhnlich späten Schließung überzeugt. Also ab nach Nadur. Mit kurzem Zwischenstopp bei Grech’s Bakery.
Wir nahmen wieder die Route vom vergangenen Jahr durch die Gärten statt über die steile Asphaltpiste. Auch steil, aber deutlich angenehmer zu laufen. Und dann trafen wir ein, bestellten Getränke und starrten einfach nur wie üblich stundenlang aufs Meer. Das Meer und der Himmel waren nie zuvor im Oktober so derart blau gewesen.
Das ist einfach so ein sensationell schöner und entspannter Ort, wie es nicht viele auf dieser Welt gibt. Immer wieder ein perfekter Einstieg in die Urlaubstage.
Während wir da so saßen, kam der Gatte auf die Idee, ein Boot zu mieten. Er hatte sich bereits umgeschaut. In Xlendi ging das. Auch ohne Bootsführerschein. Ich war wenig begeistert und musste mich als Spaßbremse beschimpfen lassen. Das Thema schien vorerst erledigt.
Als wir gingen, nahmen wir uns fest vor, in dieser Woche nochmals vorbei zu kommen.
Fürs Abendessen fiel die Wahl auf Francesco’s Special Pizza in Żebbuġ. Der Gatte steht drauf – und das nicht ohne Grund. Wer den ganzen Abend keine andere Sprache als Malti beim Essen hören will, ist hier goldrichtig. Der Laden ist stets vollgepackt mit Einheimischen. Und die Pizza ist super. Und die überlebensgroße Madonnenstatue im Eingangsbereich hinter Glas sowieso.
Eine Pizza Peperoni (Tomato Sauce, Mozzarella, green Peppers, Peperoni & Oregano) und eine Pizza Gozitano (Tomato Sauce, sliced Tomatoes, sliced Potatoes, Anchovies, Tuna, Olives, Onions & Oregano) später konnten wir den ersten vollen Urlaubstag zweifelsfrei als absolut gelungen bezeichnen.
Am nächsten Morgen verschwand der Gatte wieder Richtung Tauchbasis. Ich verbrachte den halben Vormittag damit, Cortison auf meinen von Stechmückenstichen übersäten Körper aufzutragen. Wird sich das denn nie ändern?! Was nur habe ich an mir, das die Biester so scharf macht? Oder – um maltesisch zu denken: Welche Todsünden habe ich begangen, dass stets alle Moskitos im Umkreis von zehn Kilometern über mich herfallen? Mein rechtes Fußgelenk und mein linker Unterarm waren wie aufgeblasen. Die restlichen Stiche gruppierten sich zwanglos drum herum. Man möchte schlicht wahnsinnig werden.
Für mittags hatten wir uns etwas vorgenommen, an dem wir beim letzten Gozo-Urlaub gescheitert waren: ein Besuch des Gordan Leuchtturms aka Fanal ta‘ Ġordan. Im vergangenen Jahr hatten wir aufgeben müssen, weil die Zufahrtsstraße gesperrt war. Aber da waren wir auch mit dem Auto spätnachmittags vorbeigekommen und wollten den Leuchtturm nebenbei zusätzlich zum Tagesprogramm mitnehmen. Die Straße war immer noch gesperrt, aber von Għasri aus konnten wir uns zu Fuß an den Aufstieg machen. Was wir auch taten.
Am Leuchtturm versammelte sich nach und nach eine äußerst seltsame Gruppe von Menschen. Es begann mit einem Leihmopedfahrer, dem mit einigem Abstand drei ältere gozitanische Frauen und eine blonde, etwas jüngere Frau folgten. Es handelte sich um ein niederländisches Ehepaar. Keine Ahnung, was dazu geführt hatte, dass sich diese Menschen auf dem Berg versammelt hatten. Zwischendurch konnte man den Eindruck gewinnen, dass die Holländer auf der Suche nach einem Baugrundstück waren. Vermutlich ist ein Haus auf einem Berg auf Gozo auch etwas weniger anfällig für den zu erwartenden Anstieg des Meeresspiegels durch die globale Erwärmung als ein Haus am Meer am Ijsselmeer.
Vom Leuchtturm aus hat man einen ausgezeichneten Blick über die Insel und aufs Meer. Wir merkten ihn uns zudem als perfekten Sonnenuntergangsspot vor.
Auf dem Rückweg kamen wir an der ältesten Basilika Gozos vorbei, der Bażilika tal-Madonna tal-Patroċinju. Von weitem hatte ich sie (von hinten) für ein Wasserhäuschen gehalten. Schande über mich! Wenn man nun noch Ta‘ Pinu und die Għasri Parish Church mit der roten Kuppel mitzählt, wirkt dieser winzige Ort doch recht ordentlich ausgestattet mit Gotteshäusern. Jederzeit in angemessener Umgebung beten zu können sollte jedenfalls kein unüberwindbares Problem darstellen.
Zum Abendessen fuhren wir nach Marsalforn. Einmal Il-Kartell pro Urlaub muss einfach sein. Und wir hatten Glück, ohne Reservierung einen Tisch draußen an der Bucht zu erwischen. Das Essen war ein Traum.
Als Vorspeise teilten wir uns die Arancini Nero di Sepia mit Safransauce. Anschließend gab es für den Gatten eine Portion Ravjul tal-Irkotta und für mich Lampuki (endlich!) mit Sellerie-Gel, gepickelten Gurken und Vermouth Sauce. Kracher!
Während des Essens kam erneut die Bootstour zur Sprache. „Nein, nein!“ sagte die Spaßbremse. Und dachte, das Thema habe sich damit jetzt aber nun endgültig erledigt. Weit gefehlt!