Mehr Meer! Himarë & die albanische Riviera

Ich sag’s gleich: Strand in Albanien in der Hauptsaison ist schwierig. Auch wenn zahllose Instagramreels zur Zeit das Gegenteil behaupten. Glücklicherweise sind wir keine Strandurlauber, sodass wir mit dieser Erkenntnis leben konnten. Die Erklärungen dafür folgen gleich.

Nachdem wir das Auto aus der Hotelgarage befreit hatten, ging es Richtung Süden. Unser erstes Ziel war Himarë. Ich erwähne mal kurz, dass sich – wie in allen Urlauben der letzten Jahre – in einem unserer zwei Koffer eine komplette Tauchausrüstung befand. Der Gatte hatte Tauchbasen auf unserem Weg kontaktiert – es gab nicht sehr viele… – und sich nach Terminen erkundigt. Irgendwie war das aber immer so wischi-waschi und seltsam, was da als Antwort kam. Egal. Wir würden uns das anschauen.

Die Fahrt von Tirana nach Himarë

Unser Weg führte uns über den Llogara-Pass. Es ging erstmal durch einen Tunnel. Die Straßen waren überraschend gut. Wir legten eine Pause ein und tranken einen Kaffee in der Bar auf dem Pass. Der Kaffee war – und das blieb fortan auch so – ausgezeichnet.

Die Fahrt über den Pass war zu kommunistischen Zeiten streng verboten. Das lag an der total geheimen Militärbasis bei Porto Palermo. Zu der kommen wir aber später noch.

Kurz vor Dhërmi bogen wir an irgendeiner Stelle falsch ab. Und landeten auf einer absolut jungfräulichen Straße. Nein. Falsch. Wir landeten praktisch auf einer völlig unbefahrenen Autobahn. Einer Autobahn, die nicht mal Google kannte. Die Straße führte uns zu einer noch nicht ganz vollendeten Luxus-Ferienanlage namens Green Coast. Wir googleten es. Wir staunten. Und wir waren entsetzt. Dieser wundervolle Küstenabschnitt war durch Bautätigkeiten, die denen auf Malta und Gozo in nichts nachstanden, komplett ruiniert worden. Über die Klientel, die das ansprechen würde, schweigen wir mal. An dieser Stelle wurde uns klar, dass hier möglicherweise ein Land zum Ausverkauf bereit stand – wie auch immer dieser Küstenabschnitt in private und gierige Hände gelangt sein mochte.

Wir fuhren zurück auf die frisch geteerte „Autobahn“ und trafen an irgendeiner Stelle wieder auf die Straße, die wir eigentlich befahren wollten.

Abends trafen wir in Himarë ein. Nach etwas Sucherei fanden wir unsere Unterkunft, allerdings war die Zufahrt etwas zu steil und zu schlecht geschottert für unseren untermotorisierten Leihwagen. Am Ende schoben der Vermieter und ich mit vereinten Kräften an und der Gatte schaffte es auf den Hof der Vila Xani. Zur Begrüßung wurde uns ein selbstgebrannter Raki kredenzt. In einem geeisten Zakynthos-Schnapsglas. Kostas, unser Vermieter, war nämlich Grieche, was in diesem Teil des Landes nicht wirklich exotisch ist. Eigentlich war hier alles mehr oder weniger griechisch.

Nach dem Einchecken liefen wir hinunter nach Himarë und suchten Futter. Wir wurden in Strandnähe fündig. Das To Steki Sti Gonia wirkte sehr einladend. Und wir waren gerade ohnehin in griechischer Stimmung durch den Zakynthos-Raki. Das Essen war solide, aber nicht der Kracher. Auf dem Rückweg sondierten wir bereits eifrig weitere in Frage kommende Restaurants. Sicherheitshalber ließen wir das Auto am Stadiumi Petro Ruçi etwas unterhalb des Hauses stehen.

Unseren Kaffee – übrigens passend zum Urlaubsort – kochten wir am kommenden Morgen auf griechische Art. Klar. Ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem Hotelkaffee im Sky2.

Als wir anschließend das Haus verlassen wollten, herrschte in der Einfahrt rege Bautätigkeit. Unser gutgelaunter Vermieter ließ mal eben flott die Zufahrt aufschütten und planieren. Ob das in irgendeinem kausalen Zusammenhang mit unserer erschwerten Anfahrt am Vortag stand, können wir nicht sagen. Er strahlte uns jedenfalls überglücklich und stolz an und winkte mit seiner Schaufel, während wir uns zur Straße vorkämpften. Respekt!

Livadhi Beach & Himarë

Wir marschierten am Haus vorbei in Gegenrichtung des Wegs nach Himarë, durch Olivenhaine und einen schattigen Waldabschnitt, oberhalb der Klippen entlang zum Livadhi Beach. Ein ausgesprochen schöner Strand, herrlich türkisfarbenes Meer und unzählige Sonnenschirme mit Liegen. Wir liefen am Strand entlang. Es war heiß. Sehr heiß. Und es gab Strandbars.

Der Livadhi Beach war erstaunlicherweise noch relativ leer. Tatsächlich „instagrammable“. Hier konnte man es aushalten. Es ging ein angenehmer Wind vom Meer her und im Schatten war es herrlich entspannt. Wir versorgten uns am ATM in einer Hoteleinfahrt mit Bargeld und in einem Laden mit einer sehr unfreundlichen Verkäuferin mit Wasser und nahmen den Rückweg in Angriff.

Am Nachmittag fuhren wir mit dem Auto Richtung Südosten durch Porto Palermo, Qeparo und Borsh. Die Ölmühle, die wir im Vorfeld ausgeschaut hatten, war bereits geschlossen. Ich trank aus der Quelle in Borsh, die im Magazin der Air Albania folgendermaßen beschrieben wurde: „The legends of this spring describe it as the place where the gods themselves quenched their thirst.“ Was den Göttern ein Wohlgefallen war, war auch mir sehr willkommen. Wunderbares, kaltes, klares Wasser.

Zum Abendessen ging es nach unserer Rückkehr und einem kleinen Bummel durch Himarë in die Taverna Lefteri, die wir uns bereits am Vorabend ausgeguckt hatten. Und wir wurden nicht enttäuscht. Wir tranken eine Flasche des albanischen Weißweins, den wir bereits bei Bledar Kola für gut befunden hatten, und teilten uns vorweg die erste Fërgesë Tiranë unseres Lebens. Köstlich! Gefolgt wurde das Ganze von einem Fileto Koce Kore erezash, Bajame dhe Tartuf + Karkalec me Salcë Portokalli (Goldbrassenfilet mit Gewürz-Mandel-Trüffel-Kruste und Garnelen in Orangensauce) für mich und Linguine fruta deti (Linguine mit Meeresfrüchten) für den Gatten. Wir waren bereits sehr glücklich, als der Service noch eine Platte mit eiskalten Wassermelonenstücken (sorry… zu gierig fürs Foto…) anschleppte. Als wir nach der Rechnung fragten, wurde uns noch ein hausgemachter Absacker verpasst: Rotwein, Zimt, Honig.

Wir reservierten sofort noch einen Tisch für den übernächsten Abend, der auch gleichzeitig unser letzter in Himarë sein würde.

Gjipe Beach & Bunker

Am nächsten Tag brachen wir nach dem Frühstück auf zum Gjipe Beach. Wir parkten kostenpflichtig auf einem Parkplatz in der Nähe, der offensichtlich von einem „Familienunternehmen“ betrieben wird. Oma kassierte ab. Der Weg zum Strand geht größtenteils bergab – teilweise recht steil auf einem Schotterweg direkt an der Küste entlang. Mir graute zwischendurch etwas vor dem Rückweg.

Die Ausblicke von unterwegs und der wirklich hübsche Strand entlohnten allerdings für die Mühen des Weges.

Wo Licht ist, ist auch Schatten. Das kennt man ja nicht nur aus Albanien. Was uns an den Stränden bis zu diesem Zeitpunkt bereits massiv störte, war der Umgang mit Müll und mit Eigentumsverhältnissen. Die Strände – und wir waren ja noch nicht in Ksamil gewesen – waren größtenteils privatisiert und kommerzialisiert.

Kein Zentimeter Strand ohne Sonnenschirm und Liegestühle, die vom Besitzer gegen mehr oder weniger horrende Gebühren zur Nutzung überlassen wurden. Wobei Livadhi und Gjipe Beach bei dieser Entwicklung noch recht weit hinten lagen. Der Strand in Borsh war deutlich überfüllter. Der Strand in Himarë dagegen war erfreulicherweise größtenteils mit Einheimischen und deren selbst mitgebrachten Sonnenschirmen belegt. Solche öffentlichen Strände gab es allerdings sehr selten.

Auf dem Hinweg hatten wir einen gesehen, auf dem Rückweg fiel uns auf, dass sich am Weg zum Strand eine ganze Reihe von Bunkern in die Böschung schmiegte. Wir konnten insgesamt sechs von den etwa 200.000 Bunkern für uns abhaken.

Unser Abendessen bestand nach unserer Rückkehr aus Brot, Oliven und mehreren Käsesorten. Wir saßen auf unserem Balkon mit Blick in eine grüne Wildnis. Es ging ein angenehmer Wind. Das Leben war schön.

Porto Palermo & Ali Pascha Tepelena

Am letzten Tag schauten wir uns Porto Palermo und die dazugehörige Festung auf der vorgelagerten Halbinsel an. Der Weg dorthin führte uns an einer sehr hübschen Bucht vorbei. Auch Onkel Enver hatte dereinst diese Bucht wohl gefallen. Und zwar so gut, dass er sie sich als Standort für seinen total geheimen U-Boot-Bunker ausgesucht hatte. Inzwischen gibt es hier immerhin noch einen Marinestützpunkt. Die kleine Bucht ist militärisches Sperrgebiet, aber mittlerweile nicht mehr sehr geheim. Es gibt einen Aussichtspunkt oberhalb mit Beschilderung.

Historisch gesehen ging die Reise anschließend in Porto Palermo doch deutlich weiter zurück in die Vergangenheit. Ich zitiere an dieser Stelle mal Wikipedia:

„Die Entstehungs- und Baugeschichte ist nicht ganz klar. Meist wird ausgeführt, die Festung sei zu Beginn des 19. Jahrhunderts von Ali Pascha Tepelena erbaut worden, als er die Unabhängigkeit seines Paschaliks von Janina vom Osmanischen Reich anstrebte und im gesamten Süden des heutigen Albanien Festungen bauen und renovieren ließ. Die um 1500 erbaute dreieckige venezianische Festung am Vivar-Kanal in Butrint soll als Vorbild für Porto Palermo gedient haben. Es existierten aber bereits zuvor Festungsanlagen.

Vielleicht gab es bereits eine venezianische Befestigung, die um die gleiche Zeit wie diejenige in Butrint vor dem Aufkommen des Bastionärsystems im Festungsbau errichtet worden war. Überliefert ist, dass im Jahr 1662 die Türken eine bestehende Festung in Porto Palermo modernisierten oder eine neue Festung in Porto Palermo errichteten. Die Anlage diente in erster Linie der Kontrolle der lokalen Bevölkerung im Großraum Himara, die sich immer wieder gegen die Türken erhoben hatte.“

Das Innere der Festung kann besichtigt werden. An einigen Stellen stößt man auf Beschriftungen, die den Wandel der Zeit recht gut dokumentieren. Die ehemalige Küche war in späteren Zeiten wohl zum Brennstofflager umfunktioniert worden.

Allgegenwärtig ist Ali Pascha selbst. Lord Byron begegnete ihm dereinst auf einer seiner Reisen und beschrieb ihn ausführlich in einem Brief an seine Mutter (An Encounter with Ali Pasha). Lortzing hat ihm mit Ali Pascha von Janina ein musikalisches Denkmal gesetzt, er taucht im Graf von Monte Christo auf und in Ismail Kadares Roman Der Schandkasten auf.

Und auch nach seinem Tod sorgt er noch für diplomatische Verwicklungen: „Im Grab bei der Fethiye-Camii-Moschee in Ioannina wurde sein Körper beigesetzt. Im Jahr 2005 begann die Theologische Fakultät der Yalova-Universität, alle 3500 historischen Grabsteine auf dem Zeytinburnu-Ayvalık-Friedhof in Istanbul zu registrieren. Hierbei stieß man 2006 auf einen Grabstein von Ali Pascha. Ab dem 11. Februar 2013 trat die albanische Regierung mit der Türkei wegen der Rückgabe von Ali Paschas Kopf in Verhandlungen.“

Wir tranken anschließend an die Besichtigung mal wieder einen Kaffee im Schatten. Die Bar hatte ebenfalls ein riesiges Wandgemälde mit ihm als Motiv. Und er wird uns im Verlauf des Urlaubs auch noch gelegentlich begegnen.

Auf dem Rückweg nach Himarë hielten wir dann noch an einer Ölmühle und schleppten fortan drei Liter Olivenöl mit uns herum. Teaser: Ich habe es unbeschadet nach Hause gebracht und es ist ausgezeichnet.

Zum Abendessen kehrten wir wieder in der Taverna Lefteri ein. Und der zweite Besuch war genauso gelungen wie der erste. Das Foto des obligatorischen Fërgesë sparte ich mir.

Ich nahm Midhje (Muscheln), der Gatte ganz bescheiden ein Gemüserisotto. Meine Muscheln schwammen in einem zitronig-tomatigen Sud. Sehr ungewöhnlich und außerordentlich gut. Sobald SeptembeR ist, werde ich sie nachbasteln. Wer in Himarë ein Restaurant sucht, dem sei die Taverna Lefteri hiermit wärmstens ans Herz gelegt.

Und weil wir von der Fërgesë so wahnsinnig begeistert waren, hier gleich mal das Rezept und eine absolute Nachkochempfehlung. Simpel, aber eine absolut perfekte Vorspeise. Es gibt unterschiedliche Zubereitungen, z. B. auch mit Leber (Fërgesë me melçi) als Winterhauptgang. Ich habe mich allerdings hier für die Variante entschieden, die wir gegessen haben (Fërgesë e Tiranës me Piperka), und versucht sie nachzubauen. Man kann sie heiß aus dem Ofen oder auch kalt essen.

Fërgesë

Gericht: Beilagenteller, Mezetellerchen, Vorspeisenteller
Keyword: feta, käse, paprika, tomate
Portionen: 0
Kalorien:
Autor: MrsFlax

Zutaten

  • etwas Olivenöl zum Anschwitzen
  • 1 große Zwiebel gewürfelt
  • 1 Zehe Knoblauch gerieben
  • 3 rote Spitzpaprika gewürfelt
  • 250 g Tomaten gewürfelt
  • 250 ml Passata
  • Salz, Pfeffer zum Abschmecken
  • 300 g Gjizë ersatzweise: 200 g Ricotta, 0,5 TL Salz, 100 g Feta

Anleitung

  • Zwiebel, Paprika und Tomaten würfeln und bereitstellen. Knoblauch reiben.
  • Olivenöl in einer Pfanne mit hohem Rand erhitzen. Zwiebeln und Knoblauch glasig anschwitzen.
  • Paprika zugeben und bei geschlossenem Deckel und mittlerer Hitze ebenfalls mit anschwitzen.
  • Tomaten zugeben, abdecken, anschwitzen, bis sie zerfallen.
  • Passata einrühren, Deckel drauf und dünsten bis alles Gemüse weich ist.
  • Salzen und pfeffern. Gjizë – eine Art Hüttenkäse – unterrühren und schmelzen lassen. Alles in eine Auflaufform umfüllen und kurz bei starker Hitze in den Ofen geben.
  • Fërgesë kann heiß, warm oder auch kalt gegessen werden. Wir fanden es kalt mit Brot super.

Noch eine Anmerkung zum Käse: Gjizë dürfte hier kaum zu bekommen sein. Eine Möglichkeit ihn zu ersetzen, besteht darin Ricotta zu salzen, abtropfen zu lassen und mit Feta zu vermischen. Ich habe Gjizë selbst hergestellt aus 300 g Joghurt, etwas Milch und Weißweinessig. Alles verrühren, kurz aufkochen und anschließend in einem Käsetuch abtropfen lassen. Er war nicht ganz so trocken wie der gekaufte, aber funktionierte hier ganz hervorragend. Auch geschmacklich.

Wir hatten die Fërgesë gestern Abend warm. Dazu – und ich scheue mich nicht, es zuzugeben… – schon wieder Pite në Tigan nach dem Rezept aus dem Tirana-Blogpost, das ich jetzt schon zum drittenmal (!) seit unserer Rückkehr zubereitet habe. Bestes Pfannenbrot ever. Ehrlich!

Und noch was: An meinen Qifqi-Skills arbeite ich gerade noch fleißig. Dazu kommen wir dann noch, wenn’s nach Gjirokastër geht. Cliffhanger…

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