Ich sag’s gleich vorweg: Bis dieses Blogpost an den Start ging, hat sein Inhalt den häuslichen Frieden hier doch stark in Mitleidenschaft gezogen. Beginnen wir jedoch ganz am Anfang: Nach der letztjährigen Herbstwoche auf Gozo hatte ich bereits mehrere Versuche gestartet, maltesisches Brot – ohne Frage eins der besten, die ich je gegessen habe – nachzubacken. Sehr dunkle, knusprige Kruste, fluffige Krume – kurz: ein Traum!
Dies gilt gleichermaßen für die beiden beliebsteten Brotsorten: Ftira und Ħobż. Ftira ist eine Art Fladenbrot mit einem Loch in der Mitte und wird gerne aufgeschnitten und mit verschiedenen Füllungen gegessen. Wobei angemerkt sei, dass Ftira Għawdxija – also die gozitanische Ftira – wieder eine ganz andere Baustelle, nämlich eine Art Pizza mit nach innen geklapptem Rand ist, die meist mit Kartoffelscheiben, Zalzett (maltesischer Wurst) und Ġbejna (getrocknetem Schafskäse) belegt ist. Sie ist wahrhaft köstlich. Wir haben sie vor zwei Jahren in einer der beiden Bäckereien in Nadur gegessen.
Aber ich schweife ab. Mein erster Versuch galt einer maltesischen Ftira. Ich stieß dabei im Netz auf folgende Anleitung von Linda Speight: Ftira. Ich unternahm einige Versuche, hielt mich nahezu sklavisch ans Rezept – und versagte bei jedem einzelnen Mal. Und das, obwohl zu Beginn des Rezepts der hoffnungsfrohe Satz „
Dann kam irgendwann Weihnachten. Ich war abgelenkt. Dann eskalierte der „Workload“ (dieses Wort bringt mich jedesmal zu albernem Kichern) im Büro. Kurz: Ich dachte eine Weile nicht daran. Die Wunden im Ego heilten. Bis Zorra mit ihrem Bloggeburtstag des Weges kam und sich Brötchen wünschte.
Da fiel mir ein, dass da doch noch eine alte Rechnung offen war. Zwischen der Ftira und mir. Ich startete erneut mit Linda Speights Rezept. Jeder hat schließlich eine 12.345ste Chance verdient. Aber auch bei nahezu maltesischem Wetter endete das Ganze erneut im Fiasko.
Der Teig sah super aus, total aktiv – dann kam der Ofen.
Nicht richtig braun, aber trotzdem schon irgendwie innen zu trocken. Ein erneuter Flop. Ich schob es auf den zweistündigen Friseurtermin zwischen dem zweiten und dritten Falten. Ich versuchte es nochmals. Zwei Tage später mit dem identischen und einem anderen Rezept.
Die Ergebnisse waren gleichermaßen desillusionierend. Vielleicht muss man maltesische Gene haben, um das zu backen. Mit meinen Eifel-Mosel-Genen schien es jedenfalls nahezu unmöglich. Den Misserfolg auf die Gene zu schieben – immerhin konnte ich dann ja nix dafür… – half mir kurz, hinterließ dann aber einen fiesen Höckegeschmack im Mund. Und außerdem half es mir ganz und gar nicht über den mittlerweile massiv aufkeimenden Selbsthass hinweg. Und auch nicht über die kritischen Seitenblicke des Gatten, die sowas von „Jetzt dreht sie endgültig durch“ hatten.
Nur zur Info: Auf dem Foto in der Mitte sind die Brötchen bereits gebacken. Ich hatte einen Test ohne Loch in der Mitte gemacht. Der rechte Versuch war immerhin genießbar. Zumindest wurde mir das so bestätigt. Und sie wurden auch gegessen. Trotzdem immer noch nicht zufriedenstellend.
Jetzt hieß es wieder zwei Tage warten, bis der Sauerteig sich erholt haben würde. Ich machte mich an die nächsten beiden Versuche. Einmal nach einem Rezept von Georgina – „Bonding over Bread“, das sich an dem von Linda Speight orientierte, aber einen Brotbackautomaten zum Einsatz brachte – und einmal nach Cocoa Chai – „Ftira Maltese Bread“.
Ich legte abends nach einem achtstündigen Arbeitstag los und mein Ego landete praktisch bäuchlings flach auf dem Küchenboden. Weinend. Hemmungslos weinend. Es begann damit, dass der alte, ewig ungenutzte Brotbackautomat, den der Gatte in den Haushalt eingebracht hatte, nach zweistündigem Rühren und Aufwärmen ohne Vorwarnung für einen Stromausfall im gesamten Haus sorgte.
Nachdem ich mit der Taschenlampe im HWR herumgestolpert war und schließlich die Hauptsicherung wieder aktiviert hatte, gab ich dem ohnehin fast fertigen Teig eine Backofenchance. Heraus kam eine Art Frisbeescheibe. Nicht aufgegangen, dafür schöne Kruste. Aber im Prinzip fast nur Kruste. Möööp! Fail!
Der zweite Teig entwickelte sich ebenso zum totalen Flop. Ich hätte mit den Endprodukten eine Wurfbude auf der Kirmes eröffnen können. Essen konnte man sie nicht. Fotos habe ich auch keine mehr gemacht, um meine Schande ausführlich zu dokumentieren. Das ist mir dann endgültig vergangen, nachdem ich im Zorn einen Becher mit 500 ml Wasser auf der Arbeitsplatte umgekippt und sämtliche dort befindlichen Backzutaten geflutet hatte. Nach dem Retten und Putzen fiel ich aufs Sofa. Ftira. Phhhh! Total überschätzt. Ich biss ins Kissen. Die Seitenblicke des Gatten wurden intensiver.
Doch dann kam er: der Durchbruch! Dazu muss man sagen, dass ich am Donnerstag Teilnehmerin eines Seminars war, das um eineinhalb Stunden überzogen wurde und so erst um 18:30 Uhr endete. Eine Stunde später war ich zu Hause. Erschöpft und relativ resigniert machte ich mich dann doch noch an einen anderen Ansatz. Drecks-Ftira. Abgehakt. Ich konzentrierte mich auf Ħobż.
Eigentlich wird es ebenfalls mit einem Sauerteigansatz hergestellt, aber mir ging die Zeit aus, wenn Zorra noch Brötchen bekommen sollte. Ich entschied mich für den Hefe-No knead bread-Ansatz dieses freundlichen maltesischen Herren – Vince Camilleri, der im Videos übrigens ein ausgezeichnetes Englisch spricht: „How to make Maltese bread“.
Mit letzter Kraft stellte ich den Teig her – innerlich bereits auf den Todesstoß für mein ohnehin zerstörtes Ego gefasst. Fotos machte ich gleich gar keine mehr. Eine Stunde später – inzwischen nach Mitternacht – war der Triumph perfekt!
Ich konnte mich leider nicht beherrschen und schnitt das Fotobrötchen noch warm an. Morgens sah das noch viel hübscher aus. Viel lockerer. Genauso locker-flockig wie mein erstarktes Ego. Extra für Zorra habe ich übrigens auch mein Lieblingsküchentuch vom St.-George’s-Square auf Gozo dazugelegt.
Und jetzt endlich – nach den diversen Kreuzwegstationen und Änderungen wegen des abgewandelten Formats – das Rezept, das funktioniert:
Zutaten
- 350 ml warmes Wasser
- 330 g Mehl, Type 00
- 2 EL Trockenhefe
- 1 TL gutes gozitanisches Meersalz, TL gehäuft
- 1 EL Olivenöl
Anleitung
- Alle Zutaten in eine Schüssel geben und mit einem Holzlöffel gründlich verrühren, bis sie einen homogenen Teig ergeben.
- Arbeitsplatte ordentlich bemehlen, Teig aus der Schüssel auf das Mehl geben. Mit einem Küchenhandtuch abgedeckt eine halbe Stunde bei Zimmertemperatur gehen lassen.
- Vom Teig für Brötchen passende Stücke mit einer Teigkarte abstechen, Brötchen formen und auf ein mit Backpapier belegtes Blech legen. Bei mir ergab das acht Brötchen. Teiglinge mehlen, nach Wunsch einschneiden, wieder mit einem Küchenhandtuch abdecken und nochmals eine halbe Stunde gehen lassen.
- Ofen derweil vorheizen. Da ich nicht im Topf backen wollte, bin ich auf einen Trick ausgewichen: Ich habe meinen Kombi-Dampfgarer-Ofen auf 230°C Intervalldampf eingestellt. Das sorgte dafür, dass die Kruste wurde, wie sie wurde. Alternativ kann man natürlich auch unten im Backofen ein Schälchen mit Wasser platzieren und/oder die Teiglinge vor dem Backen mit Wasser besprühen.
- Nach etwa vierzig Minuten (ofenabhängig - lieber Ofen-TV als verbrannte Brötchen!) triumphieren, jubeln, eine Ein-Mann-Laola durchführen oder wahlweise ein Original maltesisches Festa für die Nachbarschaft veranstalten. Mit Feuerwerk! Ohne geht nicht.
Und da ich anschließend in etwas übermütiger Stimmung war, habe ich gestern gleich noch den passenden Belag hergestellt. Eigentlich klassischerweise einen Ftira-Belag, aber wen kratzt das inzwischen schon noch?! Es gibt ihn auch als eine Art offene Sandwiches. Das heißt dann übrigens Ħobż biż-żejt.
Zutaten
- 1 Dose Thunfisch in Öl, der beste, den man kriegen kann; hier: meine letzte Dose Azorenthunfisch
- 1 Zwiebel, gehackt
- Kunserva zum Bestreichen des Brots, ersatzweise eine andere Tomatenpaste
- Olivenöl
- Kapern, gehackt
- Oliven, gehackt
- 1 Tomate, gehackt
- weiße Bohnen, eingeweicht oder aus der Dose
- 1 Zehe Knoblauch, fein gehackt
- reichlich glatte Blattpetersilie, gehackt
- Salz, Pfeffer
Anleitung
- Kunserva auf das Ħöbżchen streichen - Deckel und Boden. In einer Schüssel alle anderen Zutaten vermischen und zwischen die Brötchenhälften geben. Vorsicht! Schmeckt nach Urlaub am Meer!
Ħobż biż-żejt heißt eigentlich „Brot mit Öl“, aber auch das kann man einfach mal ignorieren. Tun die Malteser ja auch. Ebenso habe ich die Tomaten ignoriert, die eigentlich reingehören, weil ich gestern Abend um 23:00 Uhr keine Lust mehr hatte, mit der Taschenlampe durch den Garten zu stolpern. Die muss man sich halt dazudenken. Pah!
Wie auch immer: Kurz vor Toresschluss habe ich es noch geschafft. Das erfüllt mich mit großer Freude und Dankbarkeit. Echt jetzt. Und an Zorra alles Gute zum Bloggeburtstag! Feiert schön, ihr zwei.
Boah, da kannst du nun wirklich ein maltesisches Kreuz an der Decke machen! Ich bewundere dein Durchhaltevermögen, ich hätte das Handtuch bereits nach dem ersten Versuch geschmissen. Chapeau und wie sagt man so schön: Ende gut, alles gut!
wenn man 200mal teig angesetzt hat fr ein brötchen, weiß man seinen wert erst richtig zu schätzen 😀