An unserem letzten Morgen in Padangbai schleppten wir uns – und unsere Viren – nach dem Frühstück zum Fähranleger. Die Fähre war uns für elf Uhr angekündigt worden. Das sagte jeder, den wir danach fragten. Und dann folgte jeweils ein „…, aber das weiß man nie so genau…“. Aha! Wir erstanden unsere Tickets. Der freundliche Mann bestätigte uns nochmals die Uhrzeit. Wir holten unser Gepäck und gingen zurück zum Fähranleger.
Um elf Uhr war von der Fähre weit und breit nichts zu sehen. Plötzlich hieß es, sie käme um zwölf Uhr. Wir saßen auf einer Bank und warteten. Erstaunlicherweise kam dann die Fähre tatsächlich pünktlich um zwölf, also praktisch um elf Uhr CT (balinesisches Viertel Stündchen).
Die Überfahrt verlief vollkommen störungsfrei. Bei unserer Ankunft stand bereits ein Fahrer bereit, der uns zur Unterkunft – „Kabeh Jati Gardens“ – brachte. Die Autofahrt war ein wenig waghalsiger als die Fährfahrt und wir konnten uns einen ersten Einblick in die Straßenverhältnisse auf Nusa Penida verschaffen. In der Tauchbasis in Padangbai hatte man uns bereits gewarnt: Die Straße an der Küste entlang sei o.k., alles im Inselinneren dagegen habe nicht wirklich den Namen „Straße“ verdient. Dem Gatten war es egal. Sobald wir in der Unterkunft eingetroffen waren, orderte er einen Scooter für uns.
Im Vergleich zu Padangbai war Nusa Penida vom Verkehrsaufkommen her allerdings wirklich deutlich überschaubarer. Und all die tollen Strände, die ich mir im Vorfeld für Fotos ausgesucht hatte, wollten ja nun auch irgendwie erreicht werden.
Noch eine Bemerkung zur Unterkunft: Sie hatte nur einen einzigen Nachteil. In Laufweite lag eigentlich nur das Meer. Fürs Essen waren wir im Prinzip auf das dort vorhandene Restaurant angewiesen, wenn wir nicht abends mit dem Scooter im Dunkeln mörderische Schlaglöcher durchfahren wollten. Der Nachteil fiel aber am Ende nicht ins Gewicht. Das Essen vor Ort war ausgesprochen gut.
Das Gartenfoto zeigt exakt den Blick, den ich allmorgendlich beim Lesen von der Außencouch unter dem Sonnenschirm aus hatte. Und dabei fiel in unregelmäßigen Abständen immer mal wieder eine Frangipaniblüte auf mich herab. Es gibt wirklich Schlimmeres im Leben.
Nach unserer Ankunft entschleunigten meine Viren und ich erstmal bei Meerblick, Sonnenschein und im Frangipaniregen. Herrlich! Vor dem Abendessen schlurften der ebenfalls erkältungsgeschwächte Gatte – der sich von seinen Tauchambitionen erstmal für zwei Tage verabschiedet hatte – den steilen Weg bergab zum Meer hinunter, sahen im Sonnenuntergang bei der Seaweed-Ernte zu. Auch hier gilt: Gibt echt Schlimmeres…
Zum Essen schleppten wir uns wieder hinauf. Der Gatte entschied sich aus strategischen Gründen für Satay Ayam (Chicken Satay Spieße), weil er die Erdnusssauce testen wollte. Ich nahm das einzige Gericht auf der Karte, das uns gar nichts sagte: Ikan Nyat-nyat Bumbu Bali & Nasi Putih. Das „Ikan“ verriet, dass es sich um Fisch handeln musste, aber mich faszinierte das „Nyat-Nyat“ am meisten. Vor allem, als es der Kellner aussprach. DAS wollte ich unbedingt!
Es war dann tatsächlich eine gute Wahl: ein kompletter Fisch in köstlicher Sauce. Dazu Reis („Nasi“). Zum Dessert bestellten wir Pancakes mit Banane und Honig. Und am Ende waren wir außerordentlich beruhigt. Hier würden wir während unseres Aufenthalts sicher nicht verhungern.
Den nächsten Tag gingen wir gemächlich an. Während ich immer noch Papiertaschentuch für Papiertaschentuch vollschneuzte, schien der Gatte den Zenit seiner Erkältung bereits überschritten zu haben. An Tauchen war allerdings noch nicht zu denken.
Nach dem Frühstück – ich mal wieder Omelette, der Gatte diesmal Nasi Goreng (er schien sich zu diesem Zeitpunkt bereits als echter Balinese zu fühlen, zumal er einen Scooterschlüssel in der Tasche hatte…) – machten wir uns auf zu unserer ersten Ausfahrt. Wir packten die Sarongs ein, die wir auch gleich brav beim ersten Tempel anlegten.
Anschließend fuhren wir an der Küste entlang, kehrten im „Ogix Warung“ (außerordentlich empfehlenswert!) ein und erfrischten uns mit Blick auf den Gunung Agung auf Bali. Weiter ging es zur Tauchbasis, wo des Gatten Rückkehr in die Unterwasserwelt besprochen wurde. Ich sollte mit aufs Boot und schnorcheln. Ich war mir aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher, ob das in meinem Zustand funktionieren würde. Wir vereinbarten zwei Tauchgänge für unseren letzten Tag, verabschiedeten uns vom Gedanken an die Rückfahrt mit der Fähre, die nur einmal früh morgens nach Bali fuhr und organisierten stattdessen über die Tauchbasis zwei Plätze auf einem Schnellboot für den Nachmittag des letzten Tages auf Nusa Penida.
Es ging weiter zur Crystal Bay, wo wir uns nochmals niederließen und eine Rotte kleiner schwarzer Schweinchen dabei beobachteten, wie sie sich erst über eine Müllkippe und dann am Strand über von Touristen angebotenes Fressen hermachte. Vermutlich waren sie bereits für ein anständiges „Babi Guling“ verplant.
Dazu muss ich unbedingt eine kleine Familiengeschichte auspacken. Meine Schwester und mein Schwager waren vor Jahren bereits einmal auf Bali und hatten im Vorfeld eine Empfehlung mit auf den Weg bekommen: unbedingt Babi Guling bestellen! Köstlich! Sie fragten daraufhin – nicht wissend, um was es sich handelte – in einem Restaurant nach und erhielten die Antwort, dass das kein Problem sei, aber einen Tag Vorlauf benötigte. Wenn sie morgen wieder vorbei kämen, könnten sie ihr Babi Guling haben. Sie taten wie geheißen. Am nächsten Abend legte man ihnen dann für zwei Personen ein komplettes gegrilltes Spanferkel auf den Tisch, das traditionell in Bali als Festessen für größere Familienzusammenkünfte und an besonderen Feiertagen kredenzt wird. Na, Mahlzeit!
Wir machten uns schließlich auf den Rückweg – übrigens tatsächlich über katastrophale Buckelpisten – und erreichten exakt mit dem Sonnenuntergang unsere Unterkunft. Nach dem Abendessen (Bami Goreng mit Fisch bzw. Thunfisch Satay mit Reis) saßen wir noch in unserer ausgezeichneten Outdoor-Sitzecke und lauschten dem Meeresrauschen. Irgendwann später stellten wir fest, dass der Gunung Agung um exakt 21:04 Uhr ausgebrochen war. Lavaaustritt im Sperrgebiet um den Gipfel. Der Wald an den oberen Hängen hatte Feuer gefangen. Die Bilder im Internet sahen furchterregend aus. Zumindest für mich. Der Gatte war deutlich gelassener. Wir begannen trotzdem, uns über den weiteren Verlauf unserer Reise Gedanken zu machen.
Wir hatten zu diesem Zeitpunkt noch zwei Tage auf Nusa Penida vor uns. Dann sollte es zurück nach Bali gehen – und zwar exakt an den Fuß des Vulkans, nach Tulamben. Das machte mich ausgesprochen nervös. Den Gatten irgendwie weniger. Gut für uns: Die Aschewolke aus dem Vulkan (und ebenso alle auf sie folgenden Aschewolken) wurden vom Wind Richtung Java getrieben. Der Flughafen in Denpasar war nicht betroffen.
Am nächsten Morgen checkten wir während des Frühstücks die aktuelle Lage. Der blöde Berg war um 04:15 Uhr erneut – aber nicht so heftig – ausgebrochen. Uns stand derweil ein weiterer Scootertag bevor. Ich wollte unbedingt zum Atuh Beach und zum Kelingking Beach. Und dafür kam nur noch dieser Tag in Frage.
Die Fahrt war streckenweise absolut abenteuerlich. Ich musste zwischendurch absteigen. Der Gatte manövrierte sein Schätzchen auf extrem abschüssigen Straßen durch Schlaglöcher, die so tief waren, dass man mehrere Babi Guling locker darin hätte verschwinden lassen können, und kämpfte sich anschließend auf Schotter Meter für Meter wieder bergauf. Ich war ganz schön froh, dass ich nicht die mit dem passenden Führerschein war, und das selbst erledigen musste.
Irgendwann trafen wir dann am Atuh Beach ein. Beziehungsweise wir trafen am Aussichtspunkt auf den Atuh Beach ein. Beziehungsweise wir erklommen den Aussichtspunkt auf den Atuh Beach. Um den Strand selbst zu erreichen fehlte mir in meinem geschwächten Zustand die Kraft und uns insgesamt die Zeit, weil ich ja unbedingt noch zum Kelingking Beach wollte.
Jedenfalls war der Anblick, der sich uns bot, wirklich atemberaubend und all die Schlaglöcher und Stufen wert. So etwas Schönes sieht man wirklich selten.
Nach längerem intensivem und andächtig Staunen ging es wieder die Stufen hoch und ab aufs Moped. Und damit dann eine der definitiv übelsten Straßen der Welt entlang. Irgendwann beschloss ich, meine Lesebrille zum Schutz vor Staub und aufwirbelnder Materie einzusetzen. Und als ich dann alles in größerer Entfernung als dreißig Zentimeter nur noch verschwommen sah, verstand ich endlich das Prinzip der Douglas Adamsschen Joo Janta 200 Super-Chromatic Peril Sensitive Sunglasses!!!
Ich zitiere den Meister: „The Joo Janta 200 Super-Chromatic Peril Sensitive Sunglasses have been designed to help people develop a relaxed attitude to danger. They follow the principle ‚what you don’t know can’t hurt you‘ and turn completely dark and opaque at the first sign of danger. This prevents you from seeing anything that might alarm you. This does, however, mean that you see absolutely nothing, including where you’re going.“
Das war absolut perfekt für mich. Und funktionierte. Selten war ich so entspannt gewesen. Ich perfektionierte die Sache dann Tage später mittels eines über die Lesebrille geklappten, völlig zerkratzten Visiers. Aber dazu kommen wir später.
Auf dem Weg zum Kelingking Beach machten wir einen kurzen Zwischenstop beim „Teletubbie Land“. Leider passten das Licht und der Himmel zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht, sodass man anhand des Fotos nur einen schwachen Eindruck von der Teletubbiehaftigkeit der Szenerie gewinnen kann. Aber wir hatten keine Zeit, auf blaueren Himmel zu warten. Wir waren auf einer Mission.
Ich mach’s kurz: Wir erreichten den Kelingking Beach. Wir standen Ewigkeiten fast noch andächtiger als am Atuh Beach in der Gegend herum. Ich schoss unzählige Fotos und war völlig fassungslos über die Schönheit dieses Planeten (die Joo Janta 200 Super-Chromatic Peril Sensitive Sunglasses trug ich zu diesem Zeitpunkt selbstverständlich nicht mehr!). Ich hätte bis zum Einbruch der Dunkelheit da stehen und staunen können.
Schlau wäre das allerdings nicht gewesen, da wir ja wiederum über eine der grauenvollsten Straßen der Welt zurück zu unserer Unterkunft mussten. Und wir schafften es! Es dämmerte bereits heftig, aber wir erreichten wohlbehalten das Restaurant, stärkten uns an Curry mit Huhn und Curry mit Fisch und googleten bis zum Stromausfall um exakt 22:22 Uhr Vulkannews im Netz – mittlerweile recht professionell. Ich verwendete zu diesem Zeitpunkt bereits Suchbegriffe wie „Gunung Erupsi“.
Der Stromausfall unterbrach unsere Online-Aktivitäten kurz, war aber flott behoben. Der Wecker wurde auf sechs Uhr gestellt. Der Vulkan hatte sich etwas beruhigt. Tulamben aufzusuchen schien nicht mehr völlig absurd. Wir beschlossen es zu wagen.
Hier nochmal ein Blick auf meinen Lieblingsplatz in der Morgensonne. Wir ließen uns mit dem kompletten Gepäck zur Tauchbasis bringen, lagerten dort alles zwischen und machten uns mit dem Boot auf den Weg.
Erste Station war der Manta Point 66. Als wir eintrafen, sichteten wir erstmal zwei Delfine.
Alle außer mir und dem Kapitän begaben sich alle ins Wasser – die einen tauchend, die anderen schnorchelnd. Ich machte Fotos. Unauffällig auch von dem vom Kapitän am Manta Point betenderweise zu Wasser gelassenen Opferkörbchen. Und ich schneuzte und schneuzte.
Am Ende waren die Taucher bei ihrer Mantasichtung deutlich erfolgreicher gewesen als die Schnorchler und just als wir ablegen wollten, tauchte eine riesige Schar von Mantas auf. Sehr ungewöhnlich offensichtlich. Selbst die Balinesen waren begeistert.
Alle gerade frisch abgetrockneten Schnorchler stürzten sich wieder ins Wasser. Irgendwann verschwanden die Viecher und es konnte weitergehen zur Crystal Bay. Unterwegs fuhren wir an einem sensationellen Window vorbei, das ich aus etwa 5.639.858.356 verschiedenen Perspektiven fotografierte. Einfach zu schön!
Wir erreichten schließlich die Crystal Bay, wo es weitere Tauch- und Schnorchelgänge gab. Es gab auch Essen – traditionelle Gerichte von Nusa Penida, die wirklich ausgezeichnet waren. Vor allem die kleinen Fischchen. Die fand ich besonders toll. Auf dem Foto liegen sie leider unter dem Spiegelei.
Zuletzt stand noch ein Schnorchelgang bei Topakajeh an. Der Gatte übernahm diesmal für mich. Ich fotografierte mich derweil lustig weiter durch die Gegend…
Am Ende gingen wir wieder an Land, entsalzten uns notdürftig, sammelten unser Gepäck ein und ließen uns zum Fast Boat bringen. Klappte alles hervorragend. Zwei Minuten vor dem Ablegen tauchte der Tauchguide des Gatten auf und brachte ihm noch die beiden Bleitaschen, die an der Tauchbasis liegen geblieben waren. Apropos „Tauchbasis“: Sehr empfehlenswert und jederzeit wieder – „Octopus Dive Thea“.
Als wir am Kusemba Ferry Port auf Bali aus dem Boot ausstiegen, das von innen einem deutschen Linienbus nicht unähnlich war, schleiften wir unser Gepäck gefühlte Ewigkeiten durch schwarzen Sand zu unserem Fahrer und dessen Auto. Tulamben und der Vulkan erwarteten uns. Ich glaube, der Vulkan war begeisterter davon als ich.