Den Abschluss unserer Reise bildete Santorini. Die Hochzeitsinsel. Das Fotografeneldorado. Ein Paradies voller blauer Kuppeln auf weißen Kirchlein. Direkt am Meer. Herrlich. Dachte ich in meiner grenzenlosen Naivität zumindest bislang.
Wir erklärt man Santorini? Ich fange mal ganz vorne an. Man stelle sich vor, es gäbe eine herrliche Insel. Immer schönes Wetter. Leider hat die Insel auch einen Vulkan. Die Kultur auf der Insel ist hochentwickelt, als er ausbricht. Und zwar so heftig, dass Wissenschaftler mittlerweile der Ansicht sind, dass sich mit diesem Vulkanausbruch die zehn biblischen Plagen in Ägypten erklären lassen. Aber egal.
Die Einwohner der größten Stadt – heute: Ancient Akrotiri (hierzu später mehr) – verlassen mit Schiffen und dem größten Teil ihres Hab und Guts die herrliche Insel. Man stelle sich Pompeji vor. Nur brutaler und viel länger her.
Die Insel zerreißt es dabei. Es entsteht eine beeindruckende Abrisskante am Meer – an der höchsten Stelle 350 m hoch. Wow! Irgendwann wird die Insel wieder besiedelt. Es gibt nicht viel Wasser, aber die Menschen betreiben Wein- und Tomatenanbau (auch hierzu später mehr) und leben glücklich und zufrieden vor sich hin.
Irgendwann merkt jemand, dass der Sonnenuntergang ja ganz toll ist. Und dass die kleinen weißen Häuschen auf den Bergkämmen ja so hübsch sind. Und damit fängt wie so oft auf dieser Welt das Elend an. Es kommen Touristen. Viele Touristen. Sehr viele Touristen.
Und so haben wir Santorini vorgefunden: Thira, die Hauptinsel, hat eine Fläche von etwa 80 Quadratkilometern. Das ist in etwa die Fläche des Chiemsees. Zum Vergleich: Sylt hat knapp 100 Quadratkilometer. Etwa 15.000 Menschen leben dort. Ich konnte keine verlässliche Angabe finden.
Es gibt einen Flughafen auf Santorini. Und Pauschalreiseangebote. Ende Juli / Anfang August, als wir da waren, waren die Hauptorte Oía, Fíra, Firostefani und Imerovigli komplett überfüllt. Dazu kommen Tagestouristen von den Fähren und Kreuzfahrtschiffen. Pro Kreuzfahrtschiff rechnen wir mal 2.000 bis 3.000 Passagiere. Als wir abfuhren, lagen fünf Schiffe vor Anker.
Alle Passagiere der Schiffe werden mit Bussen über die Insel geschleift. Allein das verursacht schon einen ziemlichen Betrieb. Vor allem auch an den Besichtigungspunkten, die der Reihe nach abgeklappert werden. Gleichzeitig scheint sich Santorini als Partyinsel für junge Leute zu etablieren. Ibizamäßig halt. Und diese jungen Menschen mieten allesamt Tausende von Quads und Motorrollern und knattern zwischendrin unter Mißachtung sämtlicher Verkehrsregeln kreuz und quer über die Insel.
Dann noch ein paar Individualtouristen mit Leihwagen dazu. Fertig ist das perfekte Verkehrschaos. Und dabei habe ich die Honeymooner und Heiratswilligen nicht mal erwähnt. Und auch nicht die Horden von Asiaten mit Selfiesticks und die Kreuzfahrtrentner, die zu Fuß durch die steilen Gässchen schlurfen, in denen sich Souvenirladen an Souvenirladen reiht…
Und abends dann wollen alle diese Menschen im Westen der Insel den Sonnenuntergang fotografieren. Um genau zu sein in Oía. Armes Oía. Und weiträumig umfahren kann man es auch nicht, weil es praktisch nur eine Inseltangente gibt. Das folgende Foto ist jetzt nur mal ein Beispiel.
Genug davon! Nicht, dass wir uns mißverstehen! Santorini ist wunderschön. Wirklich. Landschaftlich atemberaubend. Es ist nur manchmal etwas schwer, die Landschaft zu sehen, weil sie so voller Leute steht. Ich denke, im Frühjahr oder im Herbst würde sich ein Besuch dort wirklich lohnen. Im Hochsommer kriegen mich da keine zehn Pferde Maultiere mehr hin.
Die Sache begann aber irgendwie auch gleich von Anfang an schief zu gehen. Wir nahmen vom Hafen aus den Bus, um in die Nähe der Autovermietung zu gelangen. Das lief auch gut, bis wir aussteigen mussten. Ich rutschte so blöd mit meinem Flipflop ab, dass ich ihn zerfetzte. Laufen ging ab jetzt nicht mehr so richtig. Egal. Es würde irgendwo noch welche geben…
Ich wartete mit den Koffern am Busbahnhof und beobachtete interessante Szenen, in denen sich Touristen und Einheimische anbrüllten, weil der eine dem anderen die Vorfahrt genommen oder ihn geschnitten hatte. Irgendwann traf dann mein Chauffeur mit dem Wagen (Nissan Micra…) ein und wir konnten dem Chaos den Rücken zuwenden.
Der Tank war leer und wir tankten erstmal. Anschließend musste Wasser besorgt werden. Wir erblickten einen „Lidl“. Unfassbarer noch, dass wir an der Kasse vor einem Inder standen, der sich beim Verlassen des Ladens auf deutsch erkundigte, ob wir Deutsche seien und woher wir kämen. Er studierte in Oestrich im Rheingau, war also praktisch ein Nachbar. „It’s a small world!“ In der Tat.
Wir wohnten außerhalb („Agía Irini“), was die Sache sehr viel angenehmer machte. Und wir versuchten in den wenigen Tagen, dem Trubel so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen. Sehr hilfreich war dabei die „Einweisung“, die wir in unserer Unterkunft durch Milan, den Touristenberater der Unterkunft, erhielten. Er machte ein paar wirklich brauchbare Vorschläge, wie wir die drei Tage am besten verbringen würden, buchte für uns auch gleich für den nächsten Tag eine Bootstour an der Küste entlang, die wir ohnehin auf dem Radar hatten, und gab uns u.a. auch noch einen perfekten Sonnenuntergangstipp. Danke!
Noch am gleichen Abend sahen wir uns Fíra an. Wie bereits erwähnt: wunderhübsch, aber überfüllt. Ich kaufte mir ein Paar flache Sandalen, um nicht in Wanderschuhen herumlaufen zu müssen, und wir liefen den Weg 6 Richtung Oía über Firostefáni bis Imerovigli.
Unterwegs – und hier nahm mein gestörtes Verhältnis zu Santorini seinen Lauf, löste sich aus unerfindlichen Gründen mein Weitwinkelobjektiv aus der Kamera und schlug auf dem Pflaster auf. Wah… Die Linsen scheinen noch in Ordnung zu sein, aber der Anschluss hat einen weg. Ich werde versuchen, es reparieren zu lassen. Damit hatten sich Weitwinkelfotos von Santorini auch erledigt. Das hier ist eins der letzten:
Von Imerovigli aus wollten wir eigentlich mit dem Bus nach Oía zum Essen, erwischten aber den in die falsche Richtung und nahmen dann das Auto. Mir war sowieso alles egal wegen des zerstörten Objektivs. Fürs Essen hatten wir uns das „Oía Vineyart“ (kein Tippfehler) ausgeguckt. Klang so gut. Schmeckte eigentlich auch ganz ordentlich, aber nicht wirklich überragend. Vielleicht lag es aber auch an meiner miesen Stimmung und dem seltsamen Service. Der Gatte beendete den Tag mit einem „Volkan“, das auf Santorini gebraut wird. Mit Zitrone und Honig! Fand er eher nicht so doll.
Der nächste Tag war ja praktisch bereits bis in den Nachmittag hinein verplant. Um 8:00 Uhr kam ein Kleinbus, um uns abzuholen und in die Ammoudi Bucht zu bringen. Dort wartete bereits der Katamaran auf uns. Eine Bootstour ist übrigens eine echt gute Idee, wenn einem der Trubel zuviel wird. Das war wirklich super.
Wir schipperten die komplette Küste entlang und legten am Vulkan einmal an. Es durfte in der Bucht, die von einer schwefeligen Quelle gelb gefärbt wird, gebadet werden. Einen zweiten Schwimmstopp gab es vor dem Red Beach. Und dann noch einen längeren Aufenthalt mit Barbecue und Schnorcheln.
Vom Wasser aus – mit Abstand und einer ganz anderen Perspektive – war Thira wirklich beeindruckend. So eine herrliche Insel! An Bord gab es „unlimited Drinks“ – alle Arten nicht alkoholischer Getränke, einen recht guten Santorini-Weißwein und Ouzo. Und obwohl zum Verlust meines Weitwinkels der „unlimited Ouzo“ eigentlich ganz gut gepasst hätte, hielt ich mich an den Weißwein.
Wir schaukelten so vor uns hin, betrachteten die Landschaft, es lief Cover-Reggae (wie ich jetzt weiß, handelte es sich um Alpha Blondy – nie gehört – das hier sang ich anschließend tagelang vor mich hin: „Wish you were here“ (<- Youtube-Link! Zum Aktivieren des Videos musst den Link anklicken. Ich weise dich hiermit darauf hin, dass nach der Aktivierung Daten an den jeweiligen Anbieter übermittelt werden.), praktisch, wenn man den Text seit Jahrhunderten auswendig kann). Kurz: Das Leben war ganz großartig. Ich glaube, ich brauche einen eigenen Katamaran. Sofort.
Nach der Bootstour fuhren wir nach Oia und liefen ein wenig im Ort herum. Dabei fand ich, worauf ich von Anfang an aus gewesen war: Santorini-Tomaten! Da saß ein alter Bauer auf einem Mäuerchen und bot Obst und drei Tüten mit Tomaten an. Der Gatte kaufte mir eine. Juhuuuu! Ich hatte sie!
Samen waren nämlich nicht käuflich zu erwerben. Das Saatgut hatten nur die Bauern, die die Dinger anbauten. Wie wir später erfuhren, bekamen sie sogar von der Tomatenfabrik, zu der sie ihre Tomaten brachten, genau ihren Tomatensamen wieder zurück, um im nächsten Jahr neu pflanzen zu können. So geht’s auch, Monsanto…
Für abends hatten wir auf einen Milan-Tipp hin einen Tisch in der Ammoudi Bay bestellt. In „Dimitris Ammoudi Taverna“. Der Tisch stand praktisch direkt an der Hafenkante. Man sieht ihn sogar auf dem Foto, stelle ich gerade fest. Das Essen war außerordentlich lecker – besonders mein sanft mit Kräutern in Folie gegrillter Skorpionsfisch und auch des Gatten Mussels Saganaki. Das machte den vorherigen Muschel-Fehlversuch wieder gut.
Wir saßen da und schauten aufs Meer. Ein romantischer Moment! Auf Santorini! Man fasst es nicht.
Und dann ging die Sonne langsam unter. Und es waren keine Menschenmassen um uns herum. Und wir saßen praktisch in der ersten Reihe. Der Tag versöhnte mich dann auch wieder mit Santorini.
Und dann kam er – der letzte Tag des Urlaubs! Mistmistmist!
Wir starteten recht früh durch ins prähistorische Akrotiri und besichtigten die Ausgrabungsstätte. Nachdem es dort irgendwann einmal zu einem tödlichen Unfall eines Besuchers gekommen war, war eine Besichtigung lange Zeit nicht möglich. Mittlerweile hat man das komplette Gelände überdacht und mit kleinen Wegen versehen, auf denen man sich zwischen den Häusern der antiken Stadt bewegen kann.
Bei den Ausgrabungen (die übrigens noch nicht abgeschlossen sind) fand man in einigen Häusern fantastische Wandmalereien (mehr zu Akrotiri bei Wikipedia), die jedoch mit zwei Ausnahmen in ein Museum in Athen geschafft worden waren, da man vor Ort ihre Erhaltung nicht gewährleisten konnte. Zwei Originale und Kopien sämtlicher Funde befinden sich in Oía. Die wollten wir uns im Anschluss noch anschauen.
Sehr nett auch dieser prähistorische Vorratsraum:
Auf dem Weg ins Alte Thera machten wir einen Zwischenstopp in Pyrgos, waren aber irgendwie eher enttäuscht. Als wir in Alt-Thera eintrafen, war eine Besichtigung leider nicht mehr möglich. Ab mittags ist geschlossen. Grrr…
Gut. Dann halt die Museen mit den Fresken. Was soll ich sagen? Eins dienstags geschlossen, das andere („Santozeum“) aus unerfindlichen Gründen auch nicht zugängig. Öffnungszeiten gab es nicht. Auf unser Klingeln passierte nichts. Seltsam.
Wahrscheinlich ist das einfach nicht interessant genug, wo es doch überall Souvernirläden und Santonüsschenstände gibt. Verdammt! Dann halt das Tomatenmuseum.
Und es hatte geöffnet. Es handelt sich dabei um eine ehemalige Tomatenfabrik, die jetzt in ein Museum mit Kulturprogramm umgewandelt wurde. Richtig gute Sache. Leider offensichtlich zu unbekannt. Hier ein Link: santoriniartsfactory. Wir hatten praktisch eine Privatführung und unterhielten uns noch eine Weile mit der ausgesprochen netten Frau. Die erklärte uns dann auch die Sache mit dem Tomatensamen.
Direkt hinter dem Museum liegt der sogenannte „Lunar Beach“, der uns auch schon von Milan als Fotomotiv empfohlen worden war. Und er hatte nicht zuviel versprochen. Ruhig, drei Reihen Liegestühle und Schirme – und das war es. Eine Strandbar. Und dann dieser fantastische Blick! Wenn ich meinen Katamaran habe, schaue ich mal wieder vorbei. Höhö.
Anschließend ging es noch zur Domaine Sigalas auf eine Weinprobe. Wir saßen herrlich im Schatten auf der Terrasse, probierten uns durch die Weine und freuten uns unseres Lebens. Blöd nur, dass ich vor lauter Lebensfreude meine Kamera auf der Mauer liegen ließ. Ich merkte es kurz vor unserer Unterkunft und heulte fast auf dem Rückweg. Ich Idiotin!
Bei unserer Rückkehr wartete man offensichtlich schon auf mich. Die Bedienung hatte die Kamera in Sicherheit gebracht. Puh! Ich bedankte mich etwa zweimillionenmal.
Und damit war der Urlaub dann auch eigentlich zu Ende. Wir aßen auf unserer Terrasse zu Abend. Alle Reste, die noch übrig waren. Käse, Feta, Brot, Oliven. Für mich war noch Wein da, und der Gatte trank sein letztes „Mythos“. Und dann wurden die Koffer gepackt.
Ein letzter Blick auf Santorini, ein Flug mit herrlich klarer Sicht bis München, ein Hasenbrot – diesmal mit Gummibärchen dazu, Landung in Köln-Bonn, Dreckswetter, Rückfahrt im Auto nach Hause bei strömendem Regen. Ende. Seufz.
Klingt genau wie Fraueninsel im Chiemsee. Um 17h fährt die letzte Fähre. Göttliche Ruhe, Sonnenuntergang. Aber keine weißblauen Häuschen. Wunderbare Geschichte.
rüdesheim und die loreley sind an sich auch schön. oder die burg eltz oder schloss neuschwanstein. darf man als tourist eigentlich über zu viele touristen schimpfen?! 😀