Einer der letzten Urlaubstage war angebrochen, als wir zur Cala Sarraina aufbrachen. Der Reiseführer beschrieb die Zufahrtsstraße so, dass ich Angst bekam. Sie war in der Realität allerdings deutlich weniger erschreckend. Wir fanden sogar in nicht allzu großer Entfernung einen kostenfreien Parkplatz.
Wir gingen zum Strand hinunter und liefen von da den angrenzenden Küstenstreifen ab, der sich als wirklich wunderschön entpuppte. Es wurden reichlich Fotos gemacht. Alle paar Meter wirkte die Szenerie wieder völlig anders. Besonders große Begeisterung brach aus, als wir inmitten der Natursteinbecken am Ende der Strecke ein Tretboot entdeckten (Foto unten rechts)! Der Gatte war entschlossen, uns eins zu besorgen.
Bevor es aufs Tretboot ging, statteten wir allerdings der Strandbar Oasis noch einen Besuch ab. Also, eins können diese Sarden wirklich: Strandbars. Eine hübscher als die andere. Wir gönnten uns zwei Ichnusa und teilten uns eine Pizza con le Cozze.
Apropos „Ichnusa“: Endlich entdeckten wir, woher das regionale Bier (Untertitel „Anima Sarda“) seinen Namen hat. Der Reiseführer schreibt: „Sardinien hat viele Namen. Ichnusa, „die Schuhsohle“, tauften die alten Griechen die zweitgrößte Insel im Mittelmeer nach ihren geografischen Umrissen.“ Damit wäre das also schon mal geklärt!
Einen Absatz weiter findet sich folgende Passage: „Schon bei der Erschaffung der Welt – so erzählt es die Sage – übersah der liebe Gott die arme Schuhsohle zunächst. Nackt und bloß habe sie im Mittelmeer gelegen, und erst ein Engel musste den Schöpfer auf das vergessene Aschenputtel aufmerksam machen. Wonach er reumütig ans Werk ging und ein bisschen von allem nahm, was er sich an wundervollen Dingen für die Welt ausgedacht hatte: ein wenig schneebedeckte Alpen und grün bewaldetes Mittelgebirge, eine gute Portion karibische Traumstrände, eine Prise Sahara und sogar eine kleine Ecke vom Mond. Das alles verstreute der allmächtige Schöpfer auf der Insel und schenkte Sardinien damit seinen schönsten Spitznamen: Kontinent im Kleinen.“ Das trifft es eigentlich recht genau.
In der Strandbar trafen wir schließlich auf eine Frau, die eine Begegnung mit einer Feuerqualle hinter sich hatte, auf einen gesichtstätowierten und offensichtlich etwas unbeherrschten Korsen, der kurz davor war, eins seiner Kinder, das er inklusive dreier Frauen im Gefolge hatte, zu verprügeln, und auf eine verzweifelte Spanierin, die eine Tankstelle suchte. Der Gatte erklärte ihr den Weg. Ob sie es noch die sechs Kilometer bis dorthin geschafft haben, erfuhren wir leider nicht.
Gestärkt durch Ichnusa und Pizza begaben wir uns zu den Tretbooten, die am Strand lagen, und mieteten eins für eine Stunde. Zwischen fünf und sechs pedalierten wir durch die recht große Bucht im Licht der tiefstehenden Sonne. Mitternachts-Tretbootrunden auf den Lofoten revisited. Das Wasser kristallklar und in allen Blau- und Grüntönen schimmernd, die man sich vorstellen kann. Herrlich!
Für die Rückfahrt über die SP90 hatten wir noch zwei Zwischenstops bei Kilometer 42 und 43 eingeplant. Etwa bei Kilometer 42 liegt der kleine Laden von Mario Usai, der dort Käse und Fleischwaren aus eigener Produktion verkauft. „Formaggio Sardo“ steht am Haus, das mit der Straße durch einen kurzen Fahrweg verbunden ist. Wir erstanden zwei riesige Stücke Pecorino Sardo in unterschiedlichen Reifegraden (jeweils etwa ein Achtel Laib), eine Salsiccia Sarda und einen ordentlichen Kanten Speck, der zurück zu Hause in eine Carbonara wandern sollte. So kann man sich auch die Heimreise schönreden…
Jedenfalls zahlten wir für diese echten Köstlichkeiten („Rigorosamente di nostra produzione, nel rispetto delle piu‘ antiche tradizioni“!) einen Preis, zu dem ich an heimischen Käsetheken nicht mal ein halbes Stück allein bekommen hätte – EUR 25,30. Der Plan entstand, noch etwas in die Koffer zu packen.
Bei Kilometer 43 liegt die „Azienda Agricola Campesi“ direkt an der Straße. Es gibt Wein, Olivenöl und weitere Dinge aus heimischer Produktion. Ich nahm spontan drei Sorten sardischen Honig mit. Und wir probierten den Wein direkt aus den Tanks und verfluchten uns anschließend, dass wir nicht früher hergefunden hatten. Ein echter Tipp! Der „Vino della casa“ (Vermentino) zu EUR 2,00 pro Liter, in Bioqualität zu EUR 4,00 pro Liter. Wir ließen uns eine 1,5-Liter-Wasserflasche abfüllen. Nach kurzer Zeit im Gefrierfach tranken wir ihn zum Abendessen, das aufgrund unserer Vorratssituation wieder zu Hause in Form von Malloreddus und einer Sauce aus Tomaten, Paprika, Zwiebeln und Staudensellerie – diesmal mit Thunfisch und Kapern dazu – bestand. Etwas scharf mit getrockneten Chilis – und ausgezeichnet. Sagte der Gatte. Man lobt sich ja ungern selbst (harhar…).
Der vorvorletzte Urlaubstag verlief recht ruhig. Bis auf das übliche Vormittagsprogramm – einer taucht, einer liest und bearbeitet Fotos – passierte bis etwa 19 Uhr recht wenig. Wir gingen langsam in den sardischen Rhythmus mit langer Siesta über. Abends starteten wir dann mit gut gefülltem Picknickrucksack zur Cala Pischina. Brot, Käse, Oliven – bei Sonnenuntergang am Meer. Das war unser Plan. Und er ging voll auf. Herrlich war das. Und Fotos gab es auch noch reichlich.
Das Ende des Sonnenuntergangs war aufgrund plötzlich aufkommender Wolken etwas doof. Als wir in unserer Unterkunft ankamen, färbte er sich allerdings plötzlich rosa. Vielleicht doch zu früh aufgegeben? Lässt sich ja wiederholen.
Dachten wir zumindest zu diesem Zeitpunkt. Es nahte der Freitag. Der Gatte unternahm noch zwei letzte Tauchgänge. Anschließend wurde mir ein Überraschungsgeschenk überreicht. Von Serenella von der Tauchbasis: Sie hatte dem Gatten ihr eigenes Malloreddusbrettchen für mich mitgegeben, weil er ihr erzählt hatte, dass ich eines suchen würde! Grazie, Serenella!!!
Das versüßte mir die bevorstehende Heimreise tatsächlich etwas. Immerhin hatte ich schon einen Plan für den Sonntag Nachmittag.
Der Rest des Tages wurde gnadenlos verlesen und vertrödelt. An dieser Stelle noch zwei Buchtipps für Sardinien-Reisende, die ich empfehlen kann – keine Werbung! Nur eine Meinungsäußerung!
Padre Padrone von Gavino Ledda
Ein autobiografischer Roman, der – zumindest mich – vom Lesegefühl her ein wenig an „Angela’s Ashes“ (Die Asche meiner Mutter) von Frank McCourt erinnerte, damit aber natürlich rein gar nichts zu tun hat. Allein schon, weil die Lebensumstände des Erzählers völlig andere sind.
Der Verlag selbst meint: „Das Epos Sardiniens: Ein herzzerreißendes Buch, das die beeindruckende Geschichte eines geknechteten Jungen erzählt und darüber hinaus Landschaft und Leben auf der süditalienischen Insel in allen Facetten einfängt.“ – und das trifft es (bis auf das herzzerreißend, das mir in dem Zusammenhang nicht gefällt) ganz gut.
Elf Wege über eine Insel von Michela Murgia
Ein Buch, das ich besser zu Anfang des Urlaubs gelesen hätte, aber besser spät als nie!
Es verknüpft Themenbereiche mit Landschaften und verschaffte mir einige „Aha!“-Erlebnisse während der Lektüre – besonders der Teil mit dem Essen natürlich.
Verlagstext: „Elf Wege zeigt uns Michela Murgia auf ihrer Insel, zehn plus einen, weil runde Zahlen nur für Dinge taugen, die endgültig verstanden werden können. Und das ist in Sardinien nicht der Fall.“
Am Ende des Tages reichte es leider doch nicht mehr für einen Sonnenuntergang am Meer, sondern nur noch für ein hektisches Besteigen der Felsen hinter dem Haus. Da das aber den Hund derart aufregte, dass er ununterbrochen bellte, kletterten wir nach nicht allzu langer Zeit wieder runter. Muss ja nicht. War auch so ein schöner Tag!
Der letzte Urlaubstag brach an. Für den Abend hatten wir nochmals einen Tisch im Agriturismo Gallura da Pieruccio reserviert. Vorher fuhren wir allerdings zur Costa Paradiso, die ihren Namen wirklich verdient hat, und es stand eine letzte Fotoeskalation an.
Unsere „Wanderung“ zogen wir bis zum überfüllten Top-Strand Cala Tinnari (Foto unten rechts) durch und gingen dann zurück. Es war heiß. Sehr heiß. Zeit für einen Zwischenstopp in unserer Lieblingsstrandbar „Oasis“ (der mit den Tretbooten). Wir begnügten uns allerdings mit zwei Ichnusa und einer geteilten Pizza mit Tomaten, Pecorino und Rucola. Sehr entspannend. Während unserer kurzen Pause war allerdings der bei der Anfahrt nicht anwesende Parkplatzmann wieder aufgetaucht und knöpfte uns einen Euro ab. Den hatte er sich auch verdient. Er musste dafür seinen Schattenplatz unterm Schirm verlassen und an unser Auto rennen. Netter Mensch. Wirklich.
Abschließend ging es noch ein letztes Mal nach Santa Teresa Gallura. Wir schlenderten durch die Stadt und aßen noch ein Eis in unserer Lieblingsgelateria. Und dann hatte auch noch der Laden geöffnet, bei dem ich schon einmal vor geschlossenen Türen gestanden und mich in eine Tasche aus der Auslage verliebt hatte. Ich kaufte sie. Und war noch glücklicher als vorher schon.
Blöd an so einem „letzten Tag“ ist ja irgendwie nur, dass alles ständig „zum letzten Mal“ ist. Das nervt etwas. Irgendwann hatten wir dann auch nur noch das Abendessen vor uns. Und eine kurze Nacht.
Das Essen lief wie erwartet: Die nette Frau versuchte uns zu mästen – und wenig überraschenderweise gelang es ihr auch.
Da waren diesmal ein paar Sachen ausgetauscht im Vergleich zum ersten Abend. Die Fotos sind in chronologischer Reihenfolge angeordnet. Als wir mit den Ravioli fertig waren, waren wir platt. Total platt. Wir rechneten erneut mit Grillfleisch, dass wir notfalls würden ignorieren können. Doch dann kam es: Su Proceddu – das Ferkel!
Und es sah absolut unwiderstehlich aus. Zumindest für mich. Der Gatte konnte wirklich nicht mehr. Er probierte, ließ es dann aber. Ich muss es leider zugeben: Ich vernaschte das kleine Milchferkel (bzw. den Teil davon, der sich auf unserer Platte befand). Es ging nicht anders. Das war zu gut. Fast wie ein Kaninchen – nur knuspriger. Die Dinger werden ganz langsam vor dem Grill geröstet, immer wieder gedreht… Ich muss leider an dieser Stelle die Beschreibung leider abbrechen, weil ich sonst zu gierig werde. Die Kartoffeln rührte ich nicht an. Das hätte mich wohl wirklich umgebracht.
Mein Dessert bestand dann nur aus Mirto und Espresso. Der Gatte musste sich allein um das Gebäck kümmern. Die letzten beiden Plätzchen wurden unauffällig für später eingesackt. Und dann ging es zur letzten Nacht zurück in die Unterkunft. Verdammt!
Eine kleine Herausforderung ergab sich noch beim Stellen des Handy-Weckers. Sorry. Ich spreche Ihre Sprache nicht.
Geklingelt hat er trotzdem – allerdings wurde ich bereits vorher zu nachtschlafender Zeit wach. Wir packten alles ins Auto und fuhren zum Flughafen. Sehr traurig auch, dass wir die Esel zurücklassen mussten. Die werde ich echt vermissen.
Dann ging alles schnell. Rein in den Flieger. Augen zu und durch. Raus am Hahn, Koffer vom Band zerren und Parkplatztransfermann bestellen. Zu einer total nervigen, im Nachhinein aber sehr erheiternden Situation kam es noch, als eine weitere Ex-Urlauberin, deren Urlaub offensichtlich nicht sehr entspannt verlaufen war, ihre Neurosen am Fahrer und den Mitreisenden auszuleben gedachte. Selten jemand so Unlockeres und Verbiestertes erlebt. Sei’s drum!
Wir bestiegen am Ende unser Auto und nach einer Stunde entstiegen wir ihm wieder vor der Haustür. Die Tomaten waren immer noch nicht reif, dafür aber ein paar Zucchini. Der Rasen sah aus wie ein Teil der Sahel-Zone. Und nachdem ich mein Malloreddus-Brettchen ausgepackt hatte, machte ich mich auch gleich frisch ans Werk. Das erste Ergebnis war ja bereits zu sehen.
Weitere Urlaubsnachkochereien stehen fest auf dem Programm. Einige bereits an diesem Wochenende. Nach dem Urlaub ist vor dem Herd!
Hallo Manuela,
verzeih die Frage einer unwissenden: was ist der Unterschied zwischen einem Gnocchi- und einem Malloreddus-Brettchen? Dein mühsam auf Umwegen erhaltenes Malloreddus-Brettchen sieht jedenfalls genauso aus wie mein Gnocchi-Brettchen – zu dem ich auch noch irgendwo einen Holzstab habe, der für mich jetzt so wirkt als ob er zum formen von Malloreddus gedacht sein könnte. *grübel* Die Geschichte, wie ich an dieses Brettchen gekommen bin, ist jedenfalls weit weniger pittoresk als Deine – meins ist aus einem namhaften Online-Auktionshaus. 😮
Liebe Grüße
Nessa