Das ganze Wochenende habe ich darauf gewartet, dass sie ausfliegen. Jetzt ist Abend – und die undankbaren Viecher sitzen immer noch prall und fett und stur in ihrem Nistkasten. Darin machen sie lustige Flugübungen. Ich hab’s gesehen! Und morgen, wenn ich wieder im Büro bin, kommen sie vermutlich gutgelaunt nacheinander herausspaziert. So was Gemeines!
Ich habe eben recherchiert. Exakt heute vor sieben Jahren – am 02.06.2012 – war ich zur Stelle, als sie durchstarteten. Das war ein Feiertag. Was für ein Glücksfall. Seitdem fliegen sie unter der Woche aus oder nisten erst gar nicht. Das ist unfair! Hundsgemein!
Nachdem ich den Gatten mit meiner Meisenfixierung den ganzen Morgen in den Wahnsinn getrieben hatte, verließ er mit dem Rad auf unbestimmte Zeit das Haus. Ich beschloss, mich abzulenken Ihn konnte ich ja nun nicht mehr im Fünf-Minuten-Takt zutexten…
Wo wir gerade bei Vögeln sind: Unter der Woche brach kurz Panik (also nur bei mir!) aus, weil der Gatte das Scheibenwaschwasser seines Autos auffüllen wollte und bei dieser Gelegenheit eine tote männliche Amsel unter der Motorhaube entdeckte. Verzweifelt überlegte ich, ob unsere morgens gesungen hatte. Keine Ahnung. Ich saß den ganzen Abend auf der Terrasse und wartete auf sie. Nix. Anselm 2.0 blieb verschwunden. Seine Frau turnte herum und sammelte Insekten ein, um die lieben Kinderchen zu füttern, aber er ließ sich nicht blicken.
Am nächsten Morgen vor der Arbeit tauchte er auch nicht auf. Zu diesem Zeitpunkt war ich sicher, dass er es war, der da platt in der Nähe der Lichtmaschine gelegen hatte.Doch als ich am Freitag nach Hause kam, war er da. Auf dem frisch vertikutierten Rasen. Und äußerst lebendig. Damit war ich wieder beruhigt. Der Gatte leider nicht, weil er zwischenzeitlich recherchiert hatte, dass Amseln unter der Motorhaube meist von Mardern dort abgelegt wurden. Na toll. Amsel lebt – gut! Killer-Marder lebt – schlecht! Verdammte Natur.
Wie bereits erwähnt galt es, mich abzulenken. Ich startete mit Rhabarber. Geputzt,geschält und gewürfelt habe ich einen neuen Rekord aufgestellt: 600 Gramm hatte ich unserem Holsteiner Blut entrissen bzw. abgedreht. Und das war noch nicht alles. Da geht noch was.
Diese erste Portion war bereits bevor das Ding ausgetrieben war, für Rhabarberketchup reserviert. Man muss Prioritäten setzen. Denn der war einfach zu gut. Beim letzten Mal habe ich das Rezept nicht verbloggt. Hier ist es jetzt:
Zutaten
- 600 g Rhabarber (netto)
- 200 g passierte Tomaten (blöderweise sind ja Rhabarber und Tomaten nie gleichzeitig reif...)
- 170 g Zwiebeln (hier: rote)
- 150 ml Condimento Rosso
- 2 Gewürznelken
- 1 getrocknete Chili in Stücken
- 1 Lorbeerblatt
- 2 Kaffirlimettenblätter
- etwas Kreuzkümelsaat (endlich ein lohnender Einsatz für meinen wilden Kreuzkümmel von Gozo)
- etwas Senfsaat
- 100 ml Wasser
- 100 g Vollrohrzucker (und etwas mehr zum Abschmecken)
- Salz, Pfeffer, etwas Zitronensaft
Anleitung
- Rhabarber schälen und zerstückeln, Zwiebeln hacken.
- Rhabarber, Zwiebeln, Tomaten und Essig in einen Topf geben und kurz aufkochen lassen.
- Gewürze in ein Tee-Ei bröseln und in den Sud geben. Wasser angießen. Alles etwa 45 Minuten köcheln lassen.
- Tee-Ei mit den Gewürzen entfernen und die Masse pürieren. Mit Salz, Pfeffer, Zitronensaft und eventuell noch etwas Zucker abschmecken und zur gewünschten Konsistenz einkochen lassen.
- Noch heiß in sterilisierte Gläser füllen und sofort verschließen.
Uns selbst nachdem alles etikettiert und fotografiert war, saßen die blöden Meisen noch völlig flugunfreudig in ihrem noch blöderen Nistkasten. Zeit für Ablenkungsmanöver Nummer zwei: Holunderblüten.
Mein Holunder ist ziemlich explodiert. Will meinen: Seine Größe überschreitet trotz extremen Rückschnitts im Herbst ein Maß, das ich für angemessen halte. Und er blüht volle Kanne. Da für morgen und übermorgen Gewitter mit Starkregen und Hagel und Weltuntergang gemeldet sind, habe ich also heute die ersten Blüten geerntet. So könnten wir beim Weltuntergang wenigstens Hugo trinken. Wenn der Sirup denn nicht noch durchziehen müsste. Dazu also dann in ein paar Tagen mehr.
Nachdem der Holunder mit kochendem Läuterzucker übergossen worden war, hatte sich bei den Meisen immer noch nichts getan. Ich zog kurz in Erwägung, wahnsinnig zu werden, verwarf es dann aber wieder. Erstmal die Pasta fürs Abendessen nudeln – „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“.
Das lenkte mich denn auch recht ordentlich ab, da ich mir den Röhrennudelaufsatz mit einem deutlich zu feuchten Teig komplett verklebte und dann stundenlang herumfrickeln musste, um wenigstens den Großteil wieder hinauszubefördern. Und dann durch die Walze laufen zu lassen. Danke auch. Überflüssig zu erwähnen, was die Meisen währenddessen NICHT taten: ausfliegen…
Immerhin war das Abendessen gut. Geschmorter Ochsenschwanz. Den hatte ich bereits gestern gekocht und das zerzupfte Fleisch über Nacht in der Sauce ziehen lassen. Ein Traum.
Allerdings wird jetzt erstmal nicht mehr geschmort. Bei diesen Außentemperaturen ist es mir dann doch zu schweißtreibend. Essen geht gerade so. Und beruhigt mein strapaziertes Nervenkostüm. Meisen, ihr habt mich sehr enttäuscht…