… Who am I to disagree
I travel the world and the seven seas
Everybody’s looking for something…“
Also gut… „the world and the seven seas“ ist etwas übertrieben. Ich nahm die A3. Und dann die B45. Ziel war Michelstadt im Odenwald. Außer dem allseits bekannten Weihnachtsmarkt gibt es da auch noch das Café Siefert. Und wo wollte ich da wohl Mitte Mai hin?! Genau! Nicht zum Weihnachtsmarkt.
Der Gatte hatte mir nämlich in seiner fast an Selbstverleugnung grenzenden Uneigennützigkeit ein Bernd-Siefert-Seminar spendiert. Eine ausgezeichnete Idee wie sich gestern herausstellte.
Guuut… Mein Körperzuckeranteil bewegte sich am Abend freundlich geschätzt wohl um die 82 Prozent, aber ich konnte ihn heute morgen durch die beherzte Gabe von Spiegelei mit Schinken wieder deutlich senken.
Was wir so gemacht haben? Okeeeh… Der Vormittag verging mit der Herstellung der einzelnen Komponenten, am Nachmittag wurden diese puzzleartig zusammengesetzt. Kurz gesagt.
Wir bastelten an Crèmes, Teigen, Eis und sonstigen Massen. Am Ende des Tages kamen dabei drei Desserts und drei Torten heraus. Die Desserts schafften wir durchzuprobieren, die Torten wurden unter Schwenken von weißen Fahnen aufgeteilt und mit nach Hause geschleppt.
Alle Rezepte liegen hier. Ich werde in der nächsten Zeit das ein oder andere nachbasteln und dann die Anleitungen verbloggen. Hier erstmal ein kurzer Überblick:
Ein Glasdessert mit Schokobiskuit, Schokomousse, Aprikosencrème und Aprikosensorbet. Als Deko gab es etwas, das ein seit langem unerklärliches Problem löste:
Das weiße Gezappel obenauf kam mir bekannt vor. Ja. Es war das gleiche Zeugs, dass Jean-Pierre Saint-Martin im „Le Viscos“ auf seine Tomaten-Panna cotta drapiert hatte. Ich hatte es für Kröpök gehalten. Dabei isses viel einfacher! Es sind fritierte Glasnudeln. Genial. Memo to myself: Vorurteile gegenüber Glasnudeln abbauen und welche in verschiedenen Formen kaufen!
Was da so gut aussieht, war für mich persönlich eins der beiden Highlights des Tages: Tonkabohnenhonigeis, Thymiankirschen und Orangenfilets. Angerichtet mit Balsamicokaramell, der so simpel wie genial ist:
Zutaten
- 100 g Zucker
- 100 g dunkler Balsamico
Anleitung
- Zucker karamellisieren lassen. Nach und nach mit dem Balsamico ablöschen, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist.
Den werde ich demnächst ganz sicher herstellen. Dafür finden sich wahrscheinlich massenhaft Einsatzmöglichkeiten.
Ausdekoriert wurde das ganze mit Spielereien aus Karamell. Dazu gab es zwischendurch einen kleinen Exkurs in die wunderbare Welt des flüssigen, hocherhitzten Zuckers. Meine Narben sind ja mittlerweile wieder verheilt. Ich werde mich des Themas bei Gelegenheit einmal annehmen und hoffen, dabei nicht Verbrennungen zu erleiden, die mir allein beim Gedanken daran Schweißausbrüche verursachen. Bernd Siefert würde an dieser Stelle wahrscheinlich sagen: „Alles gut.“
Das dritte Dessert trägt den geheimnisvollen Namen „Kern der Wahrheit“ und wird – laut Aussage des Meisters – von Eckart Witzigmann außerordentlich geschätzt. Und ich muss sagen: Der Mann hat Recht! Auf dem Foto oben ist es halb fertig – Ananaskonfit mit Rosmarin und Vanille und eine Kugel Himbeersorbet. Ganz fertig – übersprüht mit Mangoespuma, bestreut mit getrockneten Kornblumenblättchen und ausdekoriert mit Himbeeren, Grüntee Financiers und etwas zu dunkel gebackenen Streifen aus Zigarettenmasse, sah es dann so aus:
Das war echt fantastisch. Könnte man für die Juni-Geburtstage mal ins Auge fassen…
Anschließend ging es an die Fertigstellung der Torten. Dazu gab es wieder zwei kleine Exkurse zu Dekorationen – diesmal aus Schokolade und Baisermasse. Bis jemals eine „Europatorte“ (übrigens designt für die EU-Kampagne „Europa isst 50“) – also praktisch eine Merkeltorte… – mit einem so exakten Baisermuster meine Küche verlassen wird, werde ich wohl etwas üben müssen.
Das Prachtstück besteht aus einem Nuss-Orangen-Boden und einer Orangencrème. Sehr lecker. Das weiß ich, weil ich sie mittlerweile probiert habe.
Die Herstellung von beispielsweise Hans-Hartz-Gedenktauben aus Eischnee oder filigransten Schokonetzen sollte ich bis Weihnachten im Griff haben. Hoffe ich… Oder vielleicht doch erst Weihnachten 2017?
Kommen wir zur zweiten Torte: Exotic Reiscrème – Mango, Milchreis und Erdbeere. Ich bin ja jetzt nicht so der Milchreis-Enthusiast, aber ich muss mittlerweile zugeben, dass ich für ihn in dieser Form eine Ausnahme mache.
Meisterlich verziert übrigens auch hier wieder mit einer Baiserhaube, von der ich nicht sicher bin, ob ich die jemals so nachbasteln werde können. Mit Sicherheit jedoch nicht in diesem Tempo und dieser Präzision.
An dieser Stelle: Es macht wirklich großen Spaß, Jemandem, der etwas richtig gut kann, dabei zuzusehen. Wenn man dann noch merkt, dass er es auch gerne tut, ist es perfekt. Das gestern war perfekt. Und Bernd Siefers ist nicht nur ein Pâtisserie-Gott, sondern auch ein ausgesprochen netter und humorvoller Mensch.
Kommen wir nun zur letzten Torte: „Himbeer Noir“. Mehrere Böden aus Schokobiskuit, eine Knuspernougatschicht, eine Himbeergeleeeinlage, eine Himbeerbutterkrem – und zum Abschluss ein Bad in flüssiger Schokolade. Und genauso schmeckte das dann auch. Mal ganz abgesehen davon, wie hübsch es aussieht:
Diese Torte probierte der Gatte dann gestern bei meiner Rückkehr auch als erstes. Hier noch ein Memo to myself: Halbkugelform kaufen!
Gekocht wurde gestern nicht mehr. Wozu auch?! Nach dem Testen der Torten war hier die allgemeine Nahrungsaufnahmekapazitat gen Null gesunken. Dafür erhielt ich noch ein nettes Geschenk im Tausch gegen den Tortenkarton: einen fangfrischen Saibling! Der Mann weiß halt, mit was er mich erfreuen kann.
Was noch Erwähnung finden muss, ist die Caipirinha Granité, die in Silikonförmchen schockgefrostet und anschließend mit einer Microplane geraspelt wurde. Ebenfalls eine sensationelle Idee für Granités aller Art. So simpel wie genial. Die hätte ich bis zur Fahruntüchtigkeit auflöffeln können.
Uuund: Die beiden Damen mögen sich mal kurz bei mir melden und mir ihre Mailadressen schicken, damit ich die Fotos weiterleiten kann. Danke!