Nachdem ich mich – wie bereits erwähnt – am Vorabend hemmungslos in die Umarmung geistiger Getränke geworfen hatte, fiel am Samstag morgen nach dem Wochenendeinkauf mein Blick aus verquollenen Augen bei Instagram auf Teigfotos. Auf viele Teigfotos. Teigfotos mit dem Hashtag #synchronbacken – Verdammt! Ich Depp!
Hektische Sichtung der Vorräte. Keine Hefe im Haus. Zweimal verdammt! Mein Trockenhefe-Notvorrat musste ran. Wozu hat man den schließlich?! Eben! Für Notfälle wie diesen. Also erstmal überstürzt den Vorteig angesetzt und dann gaaanz tief durchgeatmet. Puh! Noch ist nicht alles verloren.
Bei der Mehlauswahl hielt ich mich dann auch an das, was halt so da war. 550er Weizen und 630er Dinkel finden sich hier immer irgendwo.
Zwischendurch muss ich gestehen, dass mein Küchenselbstbewusstsein vergangene Woche einen herben Dämpfer erlitten hat. Ich hatte mir ein Rezept aus dem Carluccio-„Gemüse“-Buch ausgesucht. Nämlich seine gefüllten Tomaten. An den Tomaten kann es nicht gelegen haben. An Carluccio wahrscheinlich auch nicht.
Jedenfalls hatte ich am Ende eine breiige Masse in der Auflaufform, in der planlos Tomatenteile trieben. Kein sehr schöner Moment in meinem Leben. Hier die deprimierenden Fotos in ihrer ganzen Abscheulichkeit:
Ein derartiges Debakel konnte ich wirklich nicht gleich noch einmal ertragen. Also weg mit den Tomaten – her mit dem Brot! Der Vorteig wirkte abends einigermaßen manierlich. Ich bastelte daraus den Levain. Und auch der machte am frühen Sonntag einen recht lebendigen Eindruck.
Nebenbei kam die Frage auf, ob Veganer denn eigentlich Hefen essen. Wir fanden heraus, dass sie vor Einzellern ohne zentrales Nervensystem keinen Halt machen. Schweinerei!
Beim Fotografieren des Zwischenstands fand ich eine veritable Ersatzhirnhälfte. Top!
Die „leidende Hefekreatur“ wurde trotzdem zum Haupteig verarbeitet. Und ab da wurde es etwas heftig. Der Lebenswille der Hefen trat überdeutlich hervor. Am Ende versuchte die eine Teighälfte gar, die Schüssel zu verlassen, um ihr Glück an einem anderen Ort zu suchen. Oder halt die Weltherrschaft zu erobern.
Kommentar meiner Schwester zum „Ich drücke jetzt das Handtuch hoch und sehe zu, dass ich Land gewinne“-Foto: „Da sind Melonenkerne in den Teig gefallen!“
Am Ende wurde alles gut. Es wurde gezwirbelt und gedreht. Und dann lagen beide Brote plus vier Brötchen auf den Pizzasteinen. Und sie rochen sooo gut.
Zutaten
Vorteig
- 55 g Weizenmehl, Type 550
- 35 g Wasser
- 1 TL Trockenhefe
- 1 ordentliche Prise Meersalz
Levain
- 100 g Weizenmehl, Type 550
- 20 g Dinkelmehl, Type 630
- 60 g Wasser
- fermentierter Vorteig
Endgültiger Teig
- 600 g Weizenmehl, Type 550
- 200 g Dinkelmehl, Type 630
- 1 EL Backmalz
- 590 g Wasser
- Rest des Trockenhefetütchens
- 18 g Meersalz
- geröstete Sesamsaat - Menge nach Belieben
- Kümmelsaat und gemahlener Kümmel - Mengen nach Belieben
Anleitung
- Fermentierter Vorteig: Samstags morgens feststellen, dass Synchronbackwochenende ist. Natürlich nach dem Einkaufen. Hektisch und oberflächlich im Rezept lesen, Vorratsraum und Kühlschrank nach den Zutaten durchwühlen. Feststellen, dass keine Frischhefe im Haus ist - aaaber einige Tütchen Erste-Hilfe-Trockenhefe. Erleichtert seufzen.
- Vorteigzutaten zu einem niedlichen, kleinen Teigklümpchen verkneten und zugedeckt mit einem feucht-warmen Küchenhandtuch bei Raumtemperatur acht bis zwölf Stunden gehen lassen.
- Levain: Abends alle Zutaten für den Levain mischen, Handtuch wieder befeuchten und zugedeckt über Nacht gehen lassen. Auf Instagram Fotos den Fortschritt der anderen Teilnehmer anschauen und selbst noch ein paar Fotos hochladen. Geschafft! Auch das!
- Endgültiger Teig: Mehle mischen und 540 g des Wassers zugeben, fünf Minuten kneten (lassen), wieder ordentlich zudecken und dreißig Minuten in Ruhe autolysieren lassen. Trockenhefe parallel dazu alibimäßig in den restlichen 50 Gramm Wasser auflösen und hemmungslos begeistert sein, dass das Ergebnis am Ende irgendwie wie in 50 g Wasser aufgelöste sechs Gramm FRISCHhefe aussieht. So falsch kann es also nicht sein. Pah!
- Nach erfolgter Autolyse alle Zutaten zum Teig geben und sich kurz wundern, wo denn nun das Ersatzhirn herkommt. Es schließlich praktisch finden, denn sowas kann man ja irgendwie immer brauchen! Fünfzehn Minuten kneten (lassen). Teig halbieren und in eine Hälfte Kümmelsaat und etwas gemahlenen Kümmel geben. In die andere Hälfte gerösteten Sesam streuen. Beide Teige getrennt kurz weiterkneten. Teige abermals mit feuchtem Küchenhandtuch abdecken und für zweieinhalb Stunden gehen lassen.
- Nach zwei Stunden feststellen, dass der Kümmelteig versucht, nach oben zu entkommen. Teig vorsichtig in eine größere Schüssel transferieren. Wieder abdecken und so tun, als wäre nix gewesen.
- Nach zweieinhalb Stunden die Teige in der jeweiligen Schüssel falten. Ich bin mir nicht sicher, ob das der Plan war, habe es dann aber so gemacht. Dazu mit einer Teigkarte am Schüsselrand herunterfahren und den Teig umklappen. Das habe ich von drei Seiten gemacht. Gott sei mir Sünder gnädig! Ich wollte mir halt die Arbeitsplatte nicht schon wieder komplett einsauen.
- Teige nochmals eineinhalb Stunden gehen lassen. Ofen (mit Pizzasteinen auf Blechen) auf 240°C vorheizen.
- Arbeitsplatte (jetzt also doch...) sehr gründlich bemehlen. Teige nacheinander vorsichtig aus den Schüsseln nehmen und zwirbeln, will meinen um die eigene Längsachse verdrehen.
- Brote direkt in den Ofen geben. Zwischendurch kurz die Ofentür öffen, um Wasserdampf entweichen zu lassen. Insgesamt etwa vierzig Minuten abbacken.
Und witzigerweise schmeckten sie auch so gut wie sie rochen. Und diese Kruste!!! Das Rezept ist tatsächlich genial. Und ich bin froh, dass ich gestern noch kurzentschlossen eingestiegen bin. Das war mit Sicherheit nicht das letzte Wurzelbrot, das diesen Ofen verlassen hat. Und auch die Brötchen sind außerordentlich gut gelungen.
Die Kruste superkross, die Krume total fluffig. So mag ich Brot. Es erinnerte ein wenig an das maltesische Ftira, das wirklich außerordentlich gut ist – und an dessen Herstellung ich seit geraumer Zeit herumexperimentiere.
An dieser Stelle nochmals vielen Dank an Zorra und Sandra. Das war wirklich ein hervorragendes Rezept! Und an alle anderen: War wieder mal richtig schön mit euch.
Hier die Blogposts der anderen Teilnehmer:
zorra von 1x umrühren bitte aka kochtopf
Tanja von Tanja’s „Süß & Herzhaft“
Steffi von dulcipessa
Sylvia von Brotwein
Ingrid von auchwas
Katrin von Summsis Hobbyküche
Jutta von Jutt-ah!
Tina von Küchenmomente.de
Anna von teigliebe
Dagmar von Dagmars brotecke
Petra von Obers trifft Sahne
Simone von zimtkringel
Britta von Backmaedchen 1967
Sandra von From Snuggs Kitchen
Hey Manuela,
ich lese ja wirklich viele Blogs, aber deine Beiträge machen wirklich immer richtig Spaß! Wie gut, dass du dich noch aufgerafft hast, du wurdest ja mit diesem genialen Brot belohnt 🙂 .
Bis hoffentlich zum nächsten Synchronbacken…
Liebe Grüße
Tina
danke! das freut mich wirklich sehr =)
habe das brot eben schon fürs wochenende zur erneuten herstellung vorgemerkt bzw. vorgemerkt bekommen 😀
und: nach dem synchronbacken ist vor dem synchronbacken 😀
Herrlich, ich mag deine Schreibe so gerne! Und das Wurzelbrot inkl. Nachwuchs hast du auch toll hingekriegt. Super! Notfalltrockenhefe habe ich übrigens auch immer im Haus….
danke auch an dich. notfalltrockenhefe ist eins der produkte, die wenigstens nicht rumgammeln, wenn man sie nicht gleich verbraucht. sehr dankbare sache. im gegensatz zu meinem kühlschrankfrischhefewürfel, der mir am samstag bereits gewunken hat, als ich die dose öffnete… 😀
vielen dank nochmal an dich fürs organisieren. ich finde, das synchronbacken ist echt eine super-sache!
Liebe Manuela,
ich habe mich beim Lesen fast kringelig gelacht. Ich bin mir sicher, dass die Tomaten am erwähnten Debakel Schuld waren 😉 Deine Brote und Brötchen sehen wirklich klasse aus!
Liebe Grüße, Steffi
niemals waren die tomaten schuld! das kann und will ich nicht glauben 😀 ich werde nach mittlerweile einem halben dutzend gelungener rezepte des italieners den tomaten ganz bald eine zweite chance geben. diesmal höre ich auf mein gefühl – etwas in mir schrie nämlich bereits während der zubereitung permanent: „falsch! zu feucht!! das klappt niemals!!!“
und: danke! =)
Das hat ja richtig Spaß gemacht, bei dir zu lesen. Du schreibst wunderbar. Dein Brot sieht super aus. Mit Sesam gefällt mir sehr gut. Leider hatte ich nur Leinsamen im Schrank und den wollte ich nicht nehmen. Liebe Grüße Katrin
danke! =)
ich kaufe immer gerösteten sesam beim türken oder bei einem der orientalischen läden in 55116 mainz. schmeckt deutlich sesamiger als der „normale“. abgesehen davon, dass der preis vergleichsweise human ist.
Liebe Manuela,
vielen Dank für diese tolle und lustige Darstellung von deinem Wurzelbrot, einfach göttlich. Dein Brot ist wirklich super geworden und gut das du es am weglaufen gehindert hast,,,,schön das du es doch noch geschafft dabei zu sein.
Liebe Grüße
Britta
danke! =)
bin mittlerweile – es schmeckte auch am dritten tag noch köstlich – total verliebt in das brot. werde es mal mit etwas mehr vorlauf und im vollbesitz meiner geistigen kräfte mit sauerteig probieren.
Was für ein Erlebnis…deine Wurzelbrotgeschichte ist so gut wie dein Brot…sieht toll aus und bestimmt auch total lecker mit dem geröstetem Sesam.
Lieben Gruß
Dagmar
vielen dank! =)
die sesamversion war meine, der gatte rief nach kümmel. das brot ist toll – und so variantenreich. wer das nicht backt, ist selbst schuld 😀
Bahaha, hier gefällt´s mir! …und irgendwie fühle ich mich daheim. OK, und deine Brote sind natürlich auch toll geworden, aber am besten gefällt mir, dass du nach einem ähnlichen System arbeitest, wie ich. Ich nenne es das Schwansystem: Watscheln, stolpern, paddeln, aber am Ende majestätisch dahin gleiten.
Liebe Grüße
Simone
Wobei der echte Spaß im „watscheln, stolpern, paddeln“ liegt. Das wissen wir ja beide, oder?! :d
Hallo Manuela,
eine wundervolle Krume hat dein Wurzelbrot.
LG Tanja