Um es gleich vorweg zu nehmen: So lange haben wir noch nie bis Marsalforn gebraucht. Es fing schon damit an, dass rund um Frankfurt überall Staus den Weg zum Flughafen versperrten, als wir um etwa 16:30 Uhr zu Hause aufbrachen. Wir disponierten kurzerhand um – und sahen unseren Zug gerade noch abfahren. Das verschaffte mir immerhin die Zeit, den Parkplatz für des Gatten treues Gefährt an dem hessischen Provinzbahnhof, der den Beginn unserer Reise markierte, von seinem dichten Heckenrosenbewuchs zu befreien, während wir auf den nächsten Zug warteten.
Der Zug hatte dann zu allem Überfluss auch noch Verspätung. Glücklicherweise unser Anschlussbus in Höchst ebenfalls. Wir erreichten den Fraport also noch just in time. Blöderweise hatten wir beide vorab den Online-Check-In vergessen, sodass wir während des Flugs nicht zusammen sitzen würden. Der Gatte landete schließlich in Reihe drei am Gang, ich in Reihe 28 (letzte Reihe!) am Fenster – es lag also fast das komplette Flugzeug zwischen uns. Was soll’s?! Früher haben die Coolen im Schulbus schließlich auch immer hinten gesessen.
Irgendwann war das ohnehin egal. Der Abflug verzögerte sich schließlich um eine komplette Stunde. Wir waren froh, dass wir überhaupt starten konnten. Das Sitzplatzproblem relativierte sich durch die Wartezeit enorm.
Und während das Geplapper der vier lustigen Malteserinnen um mich herum – halb Malti, halb Englisch – während des kompletten Flugs nicht abriss, blätterte ich gelangweilt in meinem Exemplar der „Air Malta“-Bordzeitschrift „Il-Bizzilla“ und wartete geduldig auf mein Sandwich, das sicher bald eintreffen würde. „Tuna, please!“ würde ich sagen. Und dann würde mit dem ersten Biss der Urlaub beginnen.
Mir schwante allerdings bereits Übles, als ich am Ende des Hefts auf einen Artikel über eine Kooperation mit „Ryanair“ stieß. Und während die Stewardessen unermüdlich mit ihrem Wägelchen kreisten, hatten sie EC-Terminals in der Hand! Verdammt!!! O’Leary hat mir mein Thunfischbrötchen geklaut! Verflucht sei er bis ins dritte Glied!!!
Das Brötchen kam nicht, dafür traf ich nach der Landung den Gatten wieder, der sofort nach Einschalten seines Mobiltelefons von vorne eine „Ich will mein Thunfischbrötchen!“-WhatsApp-Nachricht an mich abgesetzt hatte.
Es war mittlerweile sehr dunkel. Der Schalter der Autovermietung am Flughafen in Valletta hatte zwar, als wir um 23:40 Uhr landeten und irgendwann auch unsere Koffer eingesammelt hatten, noch geöffnet, aber die Schlange war endlos. Und alle vor uns ließen sich noch tolle Reisetips geben. Oder verstanden nur ansatzweise Englisch – dieser Franzose… – und mussten mühsam durch die Formulare geleitet werden. Wir checkten zwischendurch die Abfahrtszeiten der Nachtfähren.
Möglicherweise könnten wir es bis 01:20 Uhr zum Fährterminal in Ċirkewwa schaffen. Wir schafften es knapp nicht. Die nächste Fähre sollte um 02:30 Uhr abfahren. Und zwar nicht an der üblichen, sondern an einer Nacht-Anlegestelle. Nach längerer Suche fanden wir sie. Und warteten im Auto.
Während der Warterei traf ein Partybus nach dem anderen ein, der leichtbekleidete und teilweise extrem alkoholisierte gozitanische Jugendliche absetzte, die offensichtlich vom Feiern in Valletta zurück zu ihren liebenden Eltern wollten. Was ist nur aus Sitte und Anstand gut katholisch erzogener Kinder geworden?! Die/der ein/e oder andere war in einem moralisch wie körperlich recht desolaten Zustand.
Endlich kam die Fähre. Wir waren mittlerweile ein wenig müde. Um es einmal vorsichtig zu formulieren. Um drei Uhr morgens holten wir in Marsalforn unseren Schlüssel ab und schleppten uns in die Wohnung. Um vier Uhr schlief ich. Um sieben Uhr klingelte des Gatten Wecker, der ihn zu seinem ersten Tauchgang rief. Unentschuldigtes Fehlen gilt da nicht.
Als ich aus meiner tiefen Bewusstlosigkeit erwacht war, ging ich auf direktem Weg an den Koffer. Plastikfilter, Filtertüten, ein Pfund Kaffee! Ich Fuchs!!! Und anschließend machte ich mir einfach einen Kaffee. Ohne Gefriemel mit Küchenkrepp in Sieben und sonstigem Gebastel.
Meine geliebte Blechkanne befand sich im Schrank exakt an der Stelle, an der wir sie zuletzt abgestellt hatten. Kaffee! Schwarzes Gold der Frühe! Und draußen beschien die Sonne „meinen“ Innenhof! Ich begab mich mit meinem problemlos aufgebrühten Kaffee leise und leider völlig disharmonisch vor mich hinsummend hinaus. Geht doch!
Nach der Rückkehr des Gatten gab es nochmals Kaffee. Schließlich hatte er bei seinem frühen Aufbruch keine Zeit mehr für welchen gehabt. Und sein ansonsten treusorgendes Weib hatte ja liderlicherweise geschlafen statt unmittelbar nach dem Weckerklingeln seinen Kaffeezubereitungspflichten nachzukommen.
Gut erholt war es dafür jetzt. Erholt genug, um sich als erste Amtshandlung auf den Weg zur San Blas Bay zu begeben. Zu schön war dieser Nachmittag im vergangenen Jahr gewesen, als dass wir hätten länger warten können.
Und wieder traf die Markierung im GPS des Gatten den Punkt: „Best place to relax in Gozo“. Exakt. Unser netter Barmann war da. Das Meer leuchtete in allen nur vorstellbaren Blau- und Türkistönen. Das Meer hatte sich nach den Stürmen der letzten Tage wieder etwas beruhigt. Und wir bestellten unsere traditionelle „One white wine, one Cisk“-Kombi. Dann sanken wir in die Plastikstühle und genossen das alles einfach nur. Herrlich!
Obwohl – wie der freundliche Barmann meinte – da praktisch kein Strand war. Immer noch zu unruhig, das Meer. Aber – O-Ton: „Nevertheless…“ Exakt!
In unserem Kofferraum befanden sich zu diesem Zeitpunkt bereits – ich hatte vergessen, es zu erwähnen – ein Ħobż tal-Malti und fünf Pasti tal-Lewz von „Grech’s Bakery“ in Nadur. Zusätzlich hatten wir jeweils ein Biskuttini tal-Lewz vom Bäcker geschenkt bekommen. Köstlich. Nachtrag: Das Rezept gibt es inzwischen hier: Biskuttini tal-Lewz.
Auf dem Rückweg von der San Blas Bay zur Wohnung erledigten wir noch flott ein paar Lebensmitteleinkäufe. Kurz vor Marsalforn liegt Ta‘ Mena – bereits mehrfach bei früheren Urlauben erwähnter und innigst geliebter Produzent landwirtschaftlicher Produkte und Vertreiber derselben über einen kleinen Hofladen. Es war eigentlich zu spät, aber die Tür stand noch offen. Ich sprintete hinein. Und ich bekam noch ein paar kleine Eier von den Gozitan black chicken. Zwölf wollte ich, zwölf bezahlte ich, mit einundzwanzig verließ ich schließlich den Laden. „A present for you“. Danke!
Für den Abend hatten wir einen Tisch im „Qbajjar“ reserviert. Damit hatten wir im letzten Jahr aufgehört. Und damit wollten wir in diesem Jahr beginnen. Ein cleverer Plan!
Und ich bestellte mir wieder mein Kaninchen. Und es schmeckte wieder so gut wie im letzten Jahr.
Für Desserts blieb da kein Platz mehr. Während des Verdauungsspaziergangs an der Küste entlang stellten wir fest, dass das ein perfekter Tag gewesen war. So müsste jeder Tag sein, wenn das Leben gerecht wäre. Isses leider nicht. Hach!
Ich fing mir dann auch noch zwei Insektenstiche ein, aber darüber konnte ich an einem Tag wie diesem nur lachen. Ooobwooohl… In der Nacht kratzte ich schon ganz schön rum. Und morgens war mein linker Unterarm auf Popeye-Format angewachsen. Ohne Spinat. Egal. Davon lasse ich mir doch den Urlaub nicht vermiesen. Irgendwo musste noch ein Rest Hydrocortison-Gel sein. Pah!
Die Insektenstiche sind jetzt praktisch der Cliffhanger. Denn sie blieben nicht zu zweit. Aber ich finde, nachdem ich jetzt tatsächlich noch vor dem Wochenende die Anreise und den ersten Tag Gozo verbloggt habe, sollte das erlaubt sein. Freitag geht’s weiter.