May it be forever free of bridges or tunnels!“ – Helen Caruana Galizia, The food and cookery of Malta and Gozo
Es ist Oktober. Ich war verschwunden. Jetzt bin ich wieder da. Wo war ich da wohl? Der aufmerksame Leser ahnte es bereits. Wir hatten unsere traditionelle Herbst-Auszeit auf Gozo.
Und obwohl es mir mittlerweile vorkommt, als ob es Jahre her ist: Das Wochenende vor dem Urlaub enthielt noch ein echtes Highlight. Nämlich mein Geburtstagsgeschenk – die Küchenparty in der Villa Merton. Sonntags ging es mit Bus und Bahn nach Frankfurt – muss ich explizit erwähnen, wie sehr ich die Bockenheimer Warte liebe?! – zu André Großfeld. Und es wurde ein herrlicher Abend. Mit ausgezeichnetem Essen.
Unsere Highlights waren Bernhard Reisers „Gesmokte Ente mit knuspriger Haut, Himbeer-Paprika-Sorbet und wildem Brokkoli“ und Philippe Giars „New York Cheesecake mit karamellisierter Ananas und Estragonsorbet“. Vom Estragonsorbet hatte ich die Spitze bereits weggelöffelt, bevor ich ans Foto dachte…
Der optische Knaller war Christian Grundls „Kabeljau mit mariniertem Blumenkohl, Lardo und grüner Bohne“. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Jeder einzelne Gang war absolut köstlich! Aber gerade die beiden ungewöhnlichen Sorbets waren echt ein Traum.
Die Fotos entstanden teilweise unter erschwerten Bedingungen – und alle mit dem Handy. Hier nochmal die „Karte“.
Es folgten zweieinhalb lange Arbeitstage. Mittwochs warf ich dann bereits mittags die Ketten der Sklaverei ab. Es ging zum Flughafen. Bei der Abfahrt kamen exakt gleichzeitig die Lieblingsnachbarn aus dem Urlaub zurück und ich schaffte es noch, ihnen einige Tomaten und Paprika in die Hand zu drücken, bevor wir durchstarteten. Staffelübergabe quasi. Ähnlich wie in allen Urlauben der letzten Jahre, aber diesmal exakt passgenau.
Als wir im Zug saßen, kam bereits leichte Urlaubsstimmung auf. Der Zug war immerhin pünktlich gewesen. Das kannten wir auch schon anders. Angesichts der Monsterschlange vor der Sicherheitskontrolle im Fraport geriet die Urlaubsstimmung dann allerdings kurz etwas ins Wanken. Aber es lief dann doch alles glatt: Der Flieger startete pünktlich in Frankfurt, der Flieger landete pünktlich auf Malta, der Leihwagen wurde entgegengenommen – und wir schafften tatsächlich noch die Gozo Ferry um 00:45 Uhr! Deutlich geschmeidiger gelaufen als im vergangenen Jahr.
Im Hafen von Ċirkewwa konnten wir dann auch noch einen Blick auf die „Nikolaos“ werfen, die neueste Errungenschaft der Gozo-Channel-Flotte. Ob das eine gute Idee war?! Das Ding ist zehn Jahre älter als die älteste der drei im Einsatz befindlichen Fähren. Angeblich wurde es für ein halbes Jahr geleast mit Option auf weitere sechs Monate. Mmmmhhh…
Und es wurde unmittelbar vor den Wahlen als Überraschung für die Gozitaner präsentiert – bereits in den Farben der Gozo Channel Line lackiert. Da fragt man sich doch, welcher geniale Stratege da wieder die Hand im Spiel hatte. Vermutlich werde ich für diesen Satz im kommenden Urlaub im Leihwagen in die Luft gesprengt. Aber damit beschäftige ich mich, wenn es soweit sein wird.
Am Ende erreichten wir zu nachtschlafender Zeit unser Domizil für die folgenden zehn Tage. Und trotz Müdigkeit kamen wir aus der Begeisterung kaum heraus und liefen wie kleine Kinder bei der Bescherung von Raum zu Raum. Diese Fliesen! Diese Natursteinwände! Der kleine Pool im kleinen Innenhof!
Als ich morgens aufwachte, hatte der Gatte das Haus gerade verlassen. Wichtige Tauchtermine. Is‘ klar. Für Kaffee hatte seine Zeit nicht mehr gereicht. Und ich hatte als Ehefrau auch auf ganzer Linie versagt. Und dabei gab es eine Kaffeemaschine! Anstrengungsloser Kaffeegenuss sozusagen. Ich bereitete mir erstmal selbst einen zu und zog anschließend mit der Kamera durchs Haus, um all das zu fotografieren, das mich bereits im Halbdunkel in haltloses Entzücken versetzt hatte. Die Fliesen im Obergeschoss zum Beispiel.
Ernsthaft: Dieses Haus würde ich sofort beziehen und nie mehr verlassen, wenn ich eine Chance dazu hätte. Ich dachte kurz – wirklich nur kurz – über eine Karriere als Hausbesetzerin nach, verwarf den Gedanken allerdings wieder, nachdem ich mich mit der tatsächlichen Eigentümerin unterhalten hatte. Sie hängt leider, aber verständlicherweise daran. Es ist das Haus ihrer Großmutter. Unfassbar, wie liebevoll das alles restauriert ist. Habe ich die Fliesen eigentlich schon erwähnt?!
Als der Gatte vom Inland-Sea-Tauchgang zurückkehrte, taten wir, was wir tun mussten. Wir machten uns auf den Weg nach Nadur, besorgten bei „Grech’s Bakery“ Brot und allerlei Gebäck tal-Lewz und stiegen zur San Blas Bay ab. Unser Freund in der Strandbar verkaufte uns traditionsgemäß einen Wein und ein Cisk und wir ließen uns nieder. JETZT war Urlaub! Also so richtig. DAS ist wirklich der entspannendste Platz, den ich auf dieser Welt kenne. Nach etlichen Tests behaupte ich das jetzt einfach mal. Da tut nicht mal der anschließende Aufstieg weh, obwohl ich diesmal mehr zu kämpfen hatte, als im vergangenen Jahr. Vielleicht wären etwas weniger Essen und etwas mehr Laufen gut gewesen?! Möglich. Aber egal.
Anschließend besorgten wir noch einige Dinge von unserer Einkaufsliste und fuhren „nach Hause“, was zum ersten Mal auf Gozo nicht Marsalforn bedeutete, sondern Żebbuġ. Statt direkt am Meer wohnten wir diesmal auf dem Berg. Iż-Żebbuġ ist der höchstgelegene Ort auf Gozo und man hat wirklich einen herrlichen Blick ringsum – vor allem mit Dachterrasse. Harhar!
Und übrigens: Nein! Ich werde vermutlich niemals verraten, wie „unser“ Haus heißt. Am Ende ist es immer genau dann ausgebucht, wenn wir es wieder mieten wollen. Kommt überhaupt nicht in Frage!
Abends beschlossen wir, uns in fußläufiger Entfernung nach etwas Essbarem umzusehen. Wir stießen bei Recherchen auf „Francesco’s Special Pizza“ direkt an der Kirche. Einen Versuch war es immerhin wert. Für viel mehr reichte die Energie zu diesem Zeitpunkt nicht. Uns steckte beiden noch die Anreise in den Knochen. Ich mach‘s kurz: Wir aßen zwei ausgezeichnete Pizzen und tranken zwei Wein und ein Pint Cisk. Und die Preise dafür waren ein Witz. Außer uns waren nur Einheimische dort. Die Karte ist überschaubar, aber völlig ausreichend. Genau, was wir an diesem Abend brauchten. Empfehlenswert.
Am nächsten Morgen startete der Gatte – mit Kaffee und Frühstück! – Richtung Tauchbasis durch. Und ich? Ich hatte Großes vor! Sehr Großes. Ich packte mein mitgebrachtes, aufblasbares Monster-Einhorn aus. Direkt nach dem Auspacken fiel mir auf, dass ich etwas wirklich Nützliches vergessen hatte: eine Luftpumpe. Shit.
Das Ding war riesig. Am Ende schaffte ich es, es aufzublasen. Aus eigener Kraft. Und unter Eingehen einer Sauerstoffschuld. Anschließend war mir eine Weile schlecht. Erstens ging mir dabei die Luft aus – das Einhorn wuchs und ich erschlaffte zusehends. Zweitens werde ich vermutlich bald sterben, weil ich Unmengen von Weichmachern eingeatmet habe. Made in China. Mmmhhh…
Während ich noch über die Anschaffung eines Sauerstoffzelts nachdachte, öffnete ich den Kühlschrank, um mir einen Schluck Wasser zu gönnen. Blöderweise kam mir dabei eine der am Vortag erworbenen Weinflaschen entgegen und klatschte auf. Alles voller Scherben und Wein. Und ich völlig ausgelaugt vom Einhornaufblasen. Keine schöne Situation. Ich bekam sie dennoch unter Kontrolle. Und begab mich anschließend zum Pool. Das Einhorn schaute mich herausfordernd an.
Dank eines wirklich hervorragenden Tipps des Schwagers, bestieg ich es, indem ich ein Bein um seinen Hals schlang. Schwupp. Drauf. Und sogar trocken! Ich trieb ein wenig vor mich hin. Herrlich! Ich stieg ab und schleppte Getränke, Handy und Malti-Lehrbücher an den Beckenrand.
Nebenbei: Ich bin wild entschlossen, Malti zu lernen. Das ist zwar – außer für eine Woche im Jahr – recht nutzlos, aber ich bin wie gesagt wild entschlossen. Ich befürchte, außerhalb des Urlaubs werde ich meine Kenntnisse kaum je anwenden können, denn wie wahrscheinlich ist es, abseits der maltesischen Inseln einem der rund 460.000 Malteser zu begegnen?!
Wenn man allerdings mit einem Glas Vermentino-Schorle auf einem Einhorn in einem sonnendurchfluteten gozitanischen Innenhof durch einen Pool treibt, ist selbst eine Malti-Grammatik nicht wirklich furchteinflößend.
Nebenbei: Seltsame Sprache, die keinen Infinitiv kennt und deren Verbstamm der Imperativ ist… Tststs… Das Einhorn und ich konjugierten lustig drauflos: nixrob, tixrob, jixrob, tixrob, nixorbu, tixorbu, jixorbu (Imperativ Singular: ixrob! = trink!, Imperativ Plural: ixorbu! = trinkt!). Geht doch.
Għawdex hija gzira sabiha.
Als der Gatte gegen Abend wieder auftauchte, war ich recht tiefenentspannt. Klar. Wie auch nicht?!
Wir beschlossen, zum Essen ins „Qbajjar“ zu fahren. Ich wollte schließlich wie in jedem der letzten Jahre mein Kaninchen. Und ich bekam es auch. Vorab gab es wie immer das leckere Pizzabrot auf den kleinen Europaletten, gozitanischen Käse – paniert und frittiert – und dann kam der Star des Abends: das Gozitan Rabbit. Der Gatte hatte sich für Ravjul tal-Irkotta entschieden. Das Essen war wie gewohnt köstlich. Satt und glücklich sanken wir anschließend ins Bett. Läuft… ääähhh… hoppelt!
Noch eine Frage zur Küchenparty: Das Gericht von Serkan Güzelcoban war keiner weiteren Erwähnung wert? Immerhin betreibt der sein Lokal in meiner Geburtsstadt. 😀
Du wirst es nicht glauben, aber in meiner ersten, deutlich wortreicheren Version dieses Blogposts, die ich nach der Rückkehr als „zu wortreich“ einkürzte, wurde es ausdrücklich erwähnt. Als erstes der Gerichte ohne Sorbet in der internen Rangliste. Es war ein echter Knaller!